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Ernährung contra Klima und Umwelt Vegan fürs Klima?

Ernährungswissenschaftler Malte Rubach fragt sich, ob Nachhaltigkeit und Verzicht die Welt verbessern und zeichnet die Probleme von Klimaschutz nach.

Sich vegan zu ernähren ist schön und gut, jedoch nur ein Teil der Lösung der komplexen Klimakrise Foto: Vicuschka/imago

Interview von NISA EREN

taz am Wochenende: Herr Rubach, Ihr Buch trägt den Titel „Die Ökobilanz auf dem Teller. Wie wir mit unserem Essen das Klima schützen können“. Wieso schreibt ein Ernährungswissenschaftler ein populärwissenschaftliches Buch?

Malte Rubach: In der Forschung hat man mit dem realen Geschehen oftmals wenig Berührungspunkte. Bei einigen Beiträgen in den Medien habe ich mich aber schon gefragt: „Was ist das für ein Unsinn?“ Da gibt es Autor:innen, die es sich zum Geschäftsmodell machen, jedes Jahr zum aktuellsten Trend ein weiteres Buch zu veröffentlichen.

Wenn diese noch einen Doktortitel haben, steigert das bei Ver­brau­che­r:in­nen zusätzlich das Vertrauen. Das war für mich Anlass, selbst Bücher zu veröffentlichen, die sich aber an der Wirklichkeit orientieren.

Aber irgendwo kommen die Informationen doch her?

Das Problem ist, dass keiner kritisch hinschaut. Ich mache mir oft die Mühe, in Ernährungsbüchern zitierte Studien zu sichten, und tatsächlich werden die Schlussfolgerungen der Studien oftmals verkehrt wiedergegeben. Den meisten Lesenden fällt das aber nicht auf. Die Menschen suchen nach einer einfachen Lösung, und wer ihnen die verspricht, wird gekauft.

Gibt es denn die einfache Lösung?

Nein, das Thema Ernährung ist auch nur ein Teil der Lösung. In Deutschland sind zum Beispiel allein 15 Prozent des persönlichen CO2-Fußabdrucks der Ernährung zuzuordnen. Der längere Hebel liegt bei den restlichen 85 Prozent, vor allem bei der Energieversorgung.

Handelt es sich bei der Frage nach Nachhaltigkeit um ein Luxusproblem?

Je nachdem, wo auf der Welt man sich befindet. Allerdings darf man nicht zu schnell schließen, dass wir uns in einer privilegierten Position befinden. Das kann sich auch ändern.

„Menschen, die in Armut leben, kann man nicht erzählen, sie sollen regional oder vegan einkaufen“ – Malte Rubach

Wodurch?

Durch den Klimawandel, durch wirtschaftliche Einflüsse und globale Verflechtung. Es kann sein, dass hier neue Arten von Armutsverhältnissen entstehen. Und Menschen, die in Armut leben, kann man nicht erzählen, sie sollen bio, regional oder vegan einkaufen. Es ist eine gesamtethische Frage. Die Tierethik ist ein Bereich, ebenso die Arbeitsethik. Diese beiden und andere sind Teil einer Konsumethik, die wiederum Teil einer Gesellschaftsethik ist.

Man muss sich die Frage stellen: was ist die verträglichste Lösung, um in allen Bereichen ethischen Handelns eine zukunftsfähige Lösung zu finden? Das ist immer eine Gratwanderung. Es gibt nicht nur „alles zum Schutz der Tiere“ oder „Wir dürfen keine Häuser mehr bauen, bis wir sicherstellen, dass die Ziegelsteine aus fairer Produktion kommen“.

Verzicht bringt uns also nicht weiter?

Je­de:r sollte selbst entscheiden, in welchem Bereich er oder sie verzichten möchte oder kann. Oft wird aber ein Moralismus daraus. Das ist fernab jeglicher Realität, vor allem, wenn dieser für 10 Milliarden Menschen gefordert wird.

Der erste Schritt wäre dann nämlich, die Überbevölkerung der Welt zu vermeiden. Da wäre es doch logisch, nicht noch mehr Kinder in die Welt zu setzen. Dazu sind viele Menschen nicht bereit. Wo fängt Verzicht an? Auf das Essen können wir definitiv nicht verzichten. Wir stecken in einem ethischen Dilemma.

Können Produktlabels, die den CO2- oder Wasserfußabdruck bestimmter Lebensmittel angeben, den Konsumierenden als Orientierung dienen?

Es ist eine Möglichkeit und ein wichtiger Baustein. Ich glaube aber nicht, dass Verbraucher:innen so eine reale Einschätzung bekommen, was das für ihr individuelles Konsumverhalten bedeutet. Diese Zahlen müssten sie in ihr gesamtes Konsumverhalten einordnen können. Dafür wird mehr Hintergrundwissen benötigt. Deshalb können Klima-Labels auf Lebensmitteln nur bedingt hilfreich sein, selbst wenn sie korrekt sind.

„Der Glaube, dass vegane Ernährung alle Probleme lösen könnte, ist dogmatisch“ – Malte Rubach

In Ihrem Buch sprechen Sie über Achtsamkeit …

Auch ein Trendwort. Aber es bedeutet nichts anderes als ein bewusst gelebter Alltag: Dinge wertzuschätzen, zu pflegen und in einem vernünftigen Maß zu konsumieren, sodass sie nachhaltig und langlebig sind. Doch der Glaube, dass vegane Ernährung alle Probleme lösen könnte, ist dogmatisch – nicht nur was die Herausforderungen des Klimawandels betrifft.

Aber es stößt eine Diskussion an. Das ist doch gut, oder?

Auf jeden Fall! Mir ist dabei aber wichtig, dass die Debatte nicht nur einseitig geführt wird. Deshalb freue ich mich auch, dass wir auf dem taz lab die Möglichkeit haben, diesen Diskurs auch für alle Zuschauenden ein wenig plastischer zu machen und alle Bandbreiten zu zeigen.

Was meinen Sie denn, wie das Essen der Zukunft aussehen wird?

Man muss sagen, da wird extrem viel gehyped. Da werden Investitionsfelder vorbereitet. Vegane Ersatzprodukte und auch in-vitro Fleisch werden als die Zukunft der Ernährung hochstilisiert. Manche Prognosen gehen davon aus, dass in 15 bis 20 Jahren bis zu 65% des Fleischmarktes aus Ersatzprodukten bestehen. Das sind Prognosen, um Investoren anzulocken.

Entscheidend ist, ob Menschen in Indien, China und generell Asien echtes Fleisch oder Ersatzprodukte essen wollen und können. Ich halte Insektenprotein für eine realistische Alternative. Sowohl als Futtermittel für die Nutztierhaltung im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft als auch im Bereich der menschlichen Ernährung. Die Hälfte der Menschheit isst Insekten bereits jetzt. Ich glaube allerdings nicht, dass der Fleischkonsum bis 2050 sinken wird, besonders in den Ländern, in denen der Wohlstand gerade erst ansteigt.

Möchten Sie unseren Leser:innen noch etwas mit auf den Weg geben?

Nachhaltige Ernährung ist ein komplexes Thema. Vor allem dann, wenn man aus eigener Erfahrung weiß, dass es in manchen Ländern der Welt nicht immer genügend Nahrung gibt und der Begriff „Nachhaltigkeit“ höchstens bedeutet, wie lang man von dem Vorhandenen noch satt bleiben kann. Deswegen gilt für die Debatte um nachhaltige Ernährung: „Durch den Mund kommt das Essen herein und die Worte heraus – vermeiden Sie Übermaß!“

Malte Rubach, Jahrgang 1980, ist Ernährungswissenschaftler und Buchautor. „Die Ökobilanz auf dem Teller“ erschien 2020 beim Hirzel Verlag.

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