Ermordete Senegalesen in Florenz: "Italien ist rassistisch"
Gianluca Casseri machte systematisch Jagd auf Straßenhändler. Vorher hatte er sich in der toskanischen Rechten mit fanatischen Texten den Ruf eines "Intellektuellen" erworben.
ROM taz | Zwei tote und drei schwerverletzte Senegalesen: Dies ist die Bilanz des Amoklaufs eines rechtsradikalen Rassisten in Florenz, der seine Opfer am Dienstag auf zwei Märkten der Stadt gezielt nach ihrer Hautfarbe ausgesucht hatte.
Die ersten Schüsse fielen um etwa 12 Uhr auf dem Markt an der Piazza Dalmazia im Norden der Stadt. Der 50-jährige Gianluca Casseri, der in seinem Auto vorgefahren war, machte zwischen den Ständen systematisch Jagd auf die senegalesischen Straßenhändler, die dort wie gewohnt Handtaschen und Textilien anboten, und schoss drei von ihnen nieder. Samb Modou, 40 Jahre alt, und der 54-jährige Diop Mor waren sofort tot, das dritte Opfer wurde mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.
Zwar versuchte der Inhaber eines Zeitschriftenstandes den Schützen festzuhalten, Casseri aber bedrohte ihn mit der Waffe, sagte "wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich es mir noch mal überlegen" und fuhr dann weg. Drei Stunden später tauchte er wieder auf, diesmal auf dem zentralen und auch von Touristen stark frequentierten Markt von San Lorenzo.
Erneut verfolgte er die Senegalesen, die ihm zu Gesicht kamen, zwischen den Marktständen, erneut gab er mehrere Schüsse ab und verletzte zwei Männer. Danach flüchtete er sich in eine Tiefgarage, wo er, von der Polizei gestellt, die Waffe gegen sich richtete und Selbstmord beging.
Der "italienische Breivik"
Die senegalesische Community von Florenz – zu ihr gehören etwa 500 Personen, die in der Stadt leben, zahlreiche Straßenhändler pendeln aber täglich von Pisa und anderen Städten der Toskana – reagierte mit empörten Protesten. Ein spontaner Demonstrationszug machte sich am noch am Nachmittag von der Piazza Dalmazia auf den Weg ins Zentrum, "Italien ist rassistisch" war einer der Sprechchöre. Am Ende versammelten sie sich vor dem Dom zu einem islamischen Gebet, zu dem auch der linke Präsident der Region, Enrico Rossi, hinzustieß.
Gianluca Casseri, der Täter, wurde von diversen Zeitungen sofort zum "italienischen Breivik" getauft. Casseri war offenkundig ebenso wie Breivik ein Einzeltäter, und er hatte sich in der toskanischen Rechten mit fanatisch antisemitischen Texten den Ruf eines "Intellektuellen" erworben. Casseri, der aus der Provinz Pistoia stammte, hatte dort mit einer gewissen Regelmäßigkeit das Haus der neofaschistischen "Casa Pound" besucht, war aber kein eingeschriebenes Mitglied.
"Die einsame Geste eines luziden Verrückten, die nichts mit organisierten Anschlägen zu tun hat": So klassifizierte der Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, das rassistisch motivierte Verbrechen.
Drei Tage nachdem ein Roma-Lager brannte
Enrico Rossi, Regionalgouverneur der Toskana und wie Renzi Mitglied des gemäßigt linken Partito Democratico, kündigte an, er wolle am Samstag an der Demonstration teilnehmen, zu der die senegalesische Community Italiens nach Florenz ruft.
Und Rossi kommt zu einer völlig anderen Schlussfolgerung als Bürgermeister Renzi: "Man kommt nicht umhin, das Geschehene mit der Präsenz von Kulturen in Verbindung zu bringen, die klar fremdenfeindliche und rassistische Inhalte aufweisen und die wir bisher womöglich unterschätzt haben".
In der Tat geschah der Amoklauf von Florenz nur drei Tage, nachdem in Turin eine wutentbrannte Menge ein Roma-Lager niedergebrannt hatte. Der Pogrom hatte stattgefunden, nachdem ein 16-jähriges Mädchen ausgesagt hatte, es sei von zwei Roma vergewaltigt worden. Daraufhin hatten Bewohner des Turiner Viertels Le Vallette für Samstag zu einem Protestmarsch gegen die Roma aufgerufen.
Obwohl schon im Vorfeld des Marschs die Parole ausgegeben worden war, man werde das Stadtviertel "säubern", war die Polizei nur mit wenigen Kräften präsent. Etwa 30 der Demonstranten machten sich schließlich daran, das Lager komplett niederzubrennen. Derweil hatte das Mädchen gestanden, es habe die Vergewaltigung erfunden, um vor einer strenggläubigen Familie den Verlust ihrer Jungfräulichkeit rechtfertigen zu können.
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