Ermittlungen wegen Corona am UKE: Meldepflicht versäumt?
Nach den Corona-Infizierungen auf der Krebsstation des Universitätsklinikums Eppendorf sieht die Staatsanwaltschaft Hinweise auf Straftaten.
Hamburg taz | Mittlerweile ist es mehr als ein „Anfangsverdacht“. Zu Beginn der Woche hatte die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass es in Bezug auf die Corona-Infizierungen in der Krebsstation des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) den Verdacht auf einen Straftatbestand gibt, der weitere Ermittlungen notwendig mache.
Jetzt bestätigen die ErmittlerInnen, dass zwei eingegangene Strafanzeigen, die den UKE-Verantwortlichen fahrlässige Körperverletzung und einer Reinigungskraft sogar versuchten Mord vorwerfen, so gehaltvoll sind, dass weitere Ermittlungen notwendig sind. „Die vorgetragenen Sachverhalte werden von der Staatsanwalt jetzt umfassend geprüft“, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach.
Frombach betont auch, dass die Staatsanwaltschaft sich „an die rechtliche Bewertung der Anzeigenerstatter nicht gebunden“ fühle. Im Klartext: Den Mordvorwurf halten die ErmittlerInnen für abwegig, dafür prüft die Anklagebehörde weitere Straftatbestände wie „fahrlässige Tötung“ und untersucht zudem, ob, so Frombach, auch „Vorsatzdelikte infrage kommen“.
UKE-Sprecherin Saskia Lemm erklärt hingegen auf Anfrage, der Klinik lägen „zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine Informationen“ vor. Die Klinik stellt aber bereits eigene Ermittlungen an, wer oder was die Infektionen ausgelöst haben könnte und wie die Infektionskette innerhalb der Station ausgesehen haben kann.
„Es bestand ein unterschiedliches Verständnis darüber, ab welchem Zeitpunkt ein meldepflichtiger 'Ausbruch’ vorlag“
Laut Informationen des Spiegel könnte eine Reinigungskraft, die trotz Infektion zur Arbeit auf der Station erschien, den Virus in die Onkologie eingeschleppt haben. Sie ist diejenige, gegen die eine Strafanzeige wegen versuchten Mordes gestellt wurde.
Mitte April war bekannt geworden, dass sich jeweils rund 20 MitarbeiterInnen und PatientInnen der Station mit dem Virus infiziert hatten. Bis Mittwoch waren vier der positiv getesteten PatientInnen gestorben, nach UKE-Einschätzung aber aufgrund ihrer sehr weit fortgeschrittenen Krebserkrankungen. Der letzte Patient, ein 47-jähriger mit einer aggressiven Leukämieerkrankung, war am Dienstagabend verstorben. „Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob Covid-19 ursächlich für den Tod des Mannes verantwortlich war“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme des UKE.
Möglicherweise hat das Krankenhaus seine Meldepflicht versäumt. So zeigte die Klinikleitung die ersten, am 18. und 19. März aufgetretenen Covid-19-Fälle zwar den Gesundheitsämtern an, nicht aber – wie vorgeschrieben – dem Amt für Arbeitsschutz.
Auch bei der Gesundheitsbehörde kam die Nachricht von der „Herden-Infektion“ auf der Onkologie erst am 9. April an. Hier sei inzwischen deutlich geworden, „dass ein unterschiedliches Verständnis darüber bestand, ab welchem Zeitpunkt ein meldepflichtiger 'Ausbruch’ vorgelegen hat“, lautet das aktuelle Wording des Universitätsklinikums zu der erheblichen Meldeverzögerung.
Auch diese untersucht nun die Staatsanwaltschaft. Sie will herausfinden, ob verspätete Meldungen zur Erkrankung von MitarbeiterInnen und PatientInnen oder sogar zu deren Tod beigetragen haben. Das UKE bestreitet das: Gleich nach Bekanntwerden der ersten Corona-Fälle seien die infizierten PatientInnen „auf spezifische Covid-19-Stationen außerhalb der Onkologie verlegt“ und die angesteckten MitarbeiterInnen in häusliche Quarantäne geschickt worden.