Ermittlungen gegen Berliner Beamten: AfD, NPD, Polizei
Ein Berliner Polizist soll Interna an die AfD weitergegeben haben. Im skandalträchtigen Bezirksverband Neukölln ist er nicht nur einfaches Mitglied.
Konkret geht es um einen Vorschlag von Tilo P., damals einfaches Parteimitglied, später Beisitzer im Bezirksvorstand: Er möchte gemeinsam mit seinen Parteifreunden eine Veranstaltung in der Neuköllner Buchhandlung Leporello besuchen, die am 2. Dezember 2016 im Rahmen einer Veranstaltungsreihe gegen Rechtspopulismus und Rassismus stattfindet. Einem anderen Mitglied des Bezirksvorstands ist das zu heikel: „Alle BVVler sollten wegbleiben solange sich dort ggf. NPD und Presse rumtreiben“, rät er. Dieser Einschätzung schließt sich auch der Polizist Detlef M. an, ebenfalls auf dem Verteiler und nach taz-Informationen damals „Sicherheitsbeauftragter“ des AfD-Bezirksverbands. Die Initiative Neukölln-Watch bestätigt, dass bei der Veranstaltung später tatsächlich ein Berliner NPD-Politiker im Publikum ist.
Zehn Tage später, in der Nacht zum 12. Dezember 2016, werden der Buchhandlung Leporello die Scheiben eingeworfen. In der selben Nacht wird auch ein Brandsatz vor einem linken Neuköllner Café deponiert. Der Betreiber der Buchhandlung Leporello, Heinz Ostermann, wird noch mehrmals Opfer von Anschlägen: Im Januar 2017 wird sein Auto angezündet. Mit Unterstützung durch Spendengelder kauft er sich ein neues, das in der Nacht zum 1. Februar 2018 in Flammen aufgeht, zeitgleich zum Brandanschlag auf das Auto des Linken-Kommunalpolitikers Ferat Kocak. taz-Recherchen zeigen später, dass Tilo P. und der zweite Hauptverdächtige, Sebastian T., Kocak mit Wissen der Sicherheitsbehörden schon lange vor dem Anschlag ausspioniert hatten.
Brauner Sumpf in Neukölln
Der Bezirksverband der AfD Neukölln, dem auch der Polizist Detlef M. angehört, ist nicht nur über Tilo P. mit der rechtsterroristischen Neuköllner Anschlagserie verbunden, der mehr als 60 Straftaten seit Frühling 2016 zugerechnet werden. Auch zu dem NPD-Funktionär Sebastian T. gibt es enge Kontakte. So beschreibt es ein Bezirksverordneter der Neuköllner AfD in einer Mail an den damaligen Berliner Landesvorsitzenden Georg Pazderski, die der taz vorliegt.
Dem Neuköllner AfD-Mann macht die allzu große Nähe seines Bezirksverbands zur Neuköllner Neonaziszene offenbar Sorge, deswegen beschließt er, Pazderski mit seiner Mail darüber zu informieren. Er beschreibt wahrheitsgemäß, dass bei einem AfD-internen Vortrag Pazderskis im Bezirksverband Neukölln im September 2016 auch Sebastian T. unter den Zuhörern war. Den Neuköllner AfD-Mitgliedern sei dessen politischer Hintergrund bekannt, dennoch sei er „in diesen Kreis sehr freundschaftlich aufgenommen“ worden. „Allen anderen gegenüber wurde darüber Stillschweigen bewahrt, was allein schon zeigt, dass ihnen die Problematik dieses Sachverhalts durchaus bewusst war“, heißt es in der Mail weiter.
Der Neuköllner AfD-Verordnete ist sich sicher: „Die Vorstände des Bezirksverbands sind offenbar wie die dortige Mitgliedschaft nach wie vor eng mit diesen Kreisen verbandelt.“ Es sei „kaum glaubhaft zu vermitteln, dass es sich hier um bedeutungslose Einzelfälle in diesem Bezirk handelt“. Pazderski nimmt die Mail im März 2019 zum Anlass, auf ein Parteiausschlussverfahren gegen Tilo P. zu drängen, da sonst erheblicher Schaden für den Landesverband zu befürchten sei. Ob P. inzwischen tatsächlich ausgeschlossen wurde, ist nicht bekannt.
Erneute Angriffe
Der Polizist Detlef M. ist in diesem Berliner AfD-Bezirksverband, der so stark in neonazistische Kreise verstrickt ist wie kaum ein anderer, nach wie vor nicht nur einfaches Mitglied. Auf dem letzten Bezirksparteitag im Oktober 2019 wurde er nach taz-Informationen zum Rechnungsprüfer ernannt. Beruflich ist er seit 1992 im Polizeiabschnitt 65 eingesetzt, der zwar zum Bezirk Treptow-Köpenick gehört, aber direkt an den Süden Neuköllns angrenzt, wo die Neuköllner AfD ihre Basis hat und wo sich ein Großteil der rechtsterroristischen Anschläge ereignete.
Die Serie hält derweil an: Erst in der Nacht zu Freitag haben Unbekannte in Neukölln erneut mehrere große Hakenkreuze und SS-Runen an Schaufenster und in Treppenhäuser geschmiert. Betroffen waren mehrere Einrichtungen und Adressen, die auch schon in der Vergangenheit Ziel von Anschlägen geworden waren.
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