Ermittlungen gegen Ägyptens Ex-Präsident: Mubarak verhaftet
Nach der Verhaftung des Expräsidenten hoffen die ägyptischen Revolutionäre auf Gerechtigkeit. Auch Mubaraks Söhne sitzen in Untersuchungshaft.
KAIRO taz | "Erstmals seit 7.000 Jahren wird ein Pharao verhaftet", heißt es in einer Twittermeldung aus den Reihen der ägyptischen Revolutionäre. Überraschend wurde einer ihrer wichtigsten Forderungen stattgegeben. Seit Mittwochmorgen befindet sich Expräsident Husni Mubarak offiziell in zunächst 15-tägiger Untersuchungshaft. Und wie es sich im neuen Ägypten gehört, wurde die Nachricht zuerst auf der Facebook-Seite der Staatsanwaltschaft verbreitet.
Mubaraks Söhne Gamal und Alaa sind bereits im Kairoer Thora-Gefängnis eingezogen, in jenen Ort, an dem das Regime früher seine Opponenten wegzusperren pflegte und wo heute bereits eine ganze Riege ehemaliger Minister und regimenaher Geschäftsleute sitzt. Zumindest den beiden Mubarak-Söhnen ist der Appetit vergangen. Ihr erstes Frühstück hätten sie verweigert, heißt es von der Gefängnisverwaltung. "Wenn der alte Mubarak stirbt, dann hält für Gamal in Kairo kein Taxi mehr an", hatte der ägyptische Journalist Ibrahim Eissa schon vor mehreren Jahren den Plänen widersprochen, dass Gamal das Machterbe antreten könnte. Wer hätte damals ahnen können, dass Gamal eines Tages in einem vergitterten Polizeiauto durch Kairo fährt.
Husni Mubarak selbst war am Tag zuvor im Badeort Scharm al-Scheich ins Krankenhaus mit einem "Herzproblem" eingeliefert worden. Zunächst hatten die Ägypter eine Finte vermutet, mit der sich der 82-Jährige seiner Verhaftung entziehen wollte. Doch die Staatsanwaltschaft kam ins Krankenhaus. Aus dem gibt es für Mubarak im Moment nur einen Ausgang: zu seinen Söhnen in die Untersuchungshaft.
Verantwortung für die 800 Toten der Revolution
Die hatten zunächst einmal ihre persönlichen Dinge abgeben müssen - zumindest jene, die sie am Körper trugen. Denn um die anderen persönlichen Dinge der Familie wird sich die Untersuchung der Staatsanwaltschaft drehen, genau gesagt um die vermuteten Milliarden gestohlener Staatsgelder. Daneben sollen die Mubaraks für die 800 Toten der Revolution zur Verantwortung gezogen werden, für die brutalen Polizeieinsätze und die ausgesandten Schläger, die den Tahrirplatz mit Knüppeln und Kamelen von den Demonstranten räumen sollten.
Für die Ägypter geht es nicht um das Strafmaß, mit dem Mubarak am Ende verurteilt wird, es geht um das Prinzip der Rechenschaft für ein Regime, das drei Jahrzehnte lang für nichts zur Verantwortung gezogen wurde. Es geht darum, dass nach dem Abgang des Diktators nun auch all dessen Taten offengelegt werden. Damit hat der Fall Mubarak auch Vorbildcharakter für den Rest der arabischen Welt.
Der Druck vom Tahrirplatz ist wieder da
Dass dies alles nun so schnell geschah, hat mit den Demonstrationen auf dem Tahrirplatz zu tun. Das Militär hätte es sicher vorgezogen, einen Prozess gegen Mubarak der ersten frei gewählten Regierung zu überlassen. Aber in den letzten Wochen geriet der oberste Militärrat, der Ägypten kommissarisch verwaltet, immer mehr unter Druck. Zu schwer hing der Verdacht über ihm, dass die Generäle versuchen, vieles aus dem alten Regime in die neue Zeit hinüberzuretten. Zu zahlreich waren die Geschichten, dass das Militär im alten Stil Menschen verhaftet und sogar gefoltert hat.
Zuletzt machte der Fall des 26-jährigen Bloggers Maikel Nabil die Runde, der wegen "Beschimpfung des Militärs" zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Nabil hatte der Armee immer wieder Loyalität gegenüber dem alten Regime vorgeworfen. Die Vorwürfe nahmen zu, nachdem letzten Freitag ein Demonstrant am Tahrirplatz umkam.
Doch was immer das Motiv ist, gerade jetzt die Mubaraks zur Rechenschaft zu ziehen: Für die meisten Ägypter nimmt die Gerechtigkeit nun ihren Lauf. Der Tahrirplatz ist inzwischen wieder von den Demonstranten selbst geräumt worden und fest im Griff des chaotischen Kairoer Verkehrs. Nur die Souvenirstände mit allerlei Revolutionskram zeugen von der Historie des Orts. Am Straßenrand schüttelt eine Frau ungläubig den Kopf: "Die Mubaraks vor Gericht", sagt sie, "das habe ich früher noch nicht einmal zu träumen gewagt."
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