piwik no script img

Ermittlung gegen Ex-BundespräsidentWulff fordert Freispruch

Die Staatsanwaltschaft würde das Verfahren gegen Geldauflagen einstellen – doch Christian Wulff will mehr: Er fordert die Einstellung ohne Auflagen.

Kämpft sich frei: Christian Wulff. Bild: dpa

MÜNCHEN/HANNOVER afp | Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff lehnt nach Presseinformationen die Einstellung des gegen ihn anhängigen Verfahrens gegen Geldauflagen ab und fordert stattdessen dessen Einstellung ohne Auflagen. Wie die Süddeutsche Zeitung in ihrer Samstagsausgabe berichtet, wurde ein entsprechender Schriftsatz von Wulffs Verteidigung am Freitag den Strafverfolgern in Hannover zugestellt. Auch der Anwalt des zweiten Beschuldigen, des Filmmanagers und Wulff-Freundes David Groenewold, sei so verfahren.

Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte die Einstellung des Verfahrens angeboten – in Wulffs Fall gegen die Zahlung von 20.000 Euro, in Groenewolds Fall gegen die Zahlung von 30.000 Euro. Bei einer Ablehnung dieses Angebots wollte die Strafverfolgungsbehörde nach eigenen Angaben „relativ schnell“ Anklage erheben.

Mit den Stellungnahmen der Verteidigung ist das Angebot der Ermittler zwar nicht vollständig vom Tisch, eine stille Erledigung des Falles scheint jedoch eher unwahrscheinlich. Erst im März war das seit mehr als einem Jahr laufende Verfahren wegen möglicher Vorteilsnahme auf die Vorwürfe Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung hochgestuft worden.

Strafrechtlich relevant erscheint den Ermittlern offenbar nur noch Wulffs Reise zum Oktoberfest 2008. Damals hatte Groenewold einen Teil der Hotelrechnung des Politikers, die Kosten einer Babysitterin sowie Verzehrrechnungen übernommen, der Gesamtwert betrug demnach knapp 800 Euro. Im Gegenzug soll Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident versucht haben, den Siemens-Konzern für den Groenewold-Film „John Rabe“ als Sponsor zu gewinnen.

Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung (Samstagsausgabe) aus Wulffs Umfeld erfuhr, will der ehemalige Politiker der Staatsanwaltschaft einen neuen Zeugen präsentieren, der seine Unschuld belegen soll. Wulff wolle die Ermittler zudem mit neuen Argumenten umstimmen und zu einer vorbehaltlosen Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn bewegen. Der Zeuge könne aussagen, dass ein Brief Wulffs an Siemens-Chef Peter Löscher im Dezember 2008 kein Zeichen für korruptes Verhalten, sondern ein normaler Vorgang gewesen sei.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte der Zeitung Bild am Sonntag, persönlich tue ihm Wulff leid. Aber vor dem Gesetz seien „alle gleich“ – unabhängig davon, „was für einen Beruf jemand ausgeübt hat“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • RB
    Rainer B.

    @Michael Herrmann

     

    Auch, wenn man zum Schluß den Eindruck gewinnen konnte, dass Wulff durch eine gesteuerte Medienhatz zu Fall kam, so war dem definitiv nicht so. Der gleiche Filz, der Wulff nach oben gebracht hat, hat ihn auch wieder ausgeschieden. Die "Medienhatz" war da nur Beifang.

    Ein Bundespräsident, der sein moralisches Credo auf gerade eben noch so durchgehende juristische Positionen stützt, mag ja durchaus den Horizont eines Großteils dieser Gesellschaft repräsentieren, bleibt aber deutlich hinter den zu stellenden Forderungen an das Amt zurück.

    Das Desaster zeichnete sich schon sehr früh ab, als Wulff noch Ministerpräsident in Niedersachsen war. Gibt es aus seiner Zeit als Ministerpräsident auch nur ein Indiz, das ihn zu höheren Aufgaben empfohlen hätte? Kann Ihnen überhaupt ein Niedersachse, der nicht auch in den Ermittlungsakten genannt wird, sagen, worin die Leistungen von Herrn Wulff für das Land bestehen sollen? Kaum ist ein bißchen Gras über die Sache gewachsen, schon erscheint der Wulff wieder als toller Typ, dem man übel mitgespielt hat. Für mich ist genau diese Form von Amnesie ein Schulbeispiel für Studenten der Politik- oder Medienwissenschaften

  • L
    lui

    meist bietet eine staatsanwaltschaft einen "deal" an wenn ihr nicht alles klar ist und nachforschungen entweder zu teuer oder, mangels personal, nicht zu erbringen sind. ich hoffe die staatsanwaltschaft nimmt den "federhandschuh" auf und macht ihre arbeit. so oder so, die kacke bleibt immer am schuh.

  • MH
    Michael Herrmann

    Zu dem Fall Wulff ist eigentlich alles gesagt. Es ist ein Schulbeispiel für Studenten der Politikwissenschaften, wie man durch eine perfid gesteuerte Medienhatz einen unliebsamen Politiker demontieren und zugleich einen Menschen beinahe zu Grunde richten kann. Für Studenten der Medienwissenschaften ist es ein Schulbeispiel dafür, wie man die breite Leserschaft durch gezielte Streuung von unbewiesenen Vorwürfen und Halbwahrheiten für seine Zwecke einspannen kann und Jurastudenten können daraus lernen, dass sich eine Staatsanwaltschaft durch eine hysterische Medienschelte tunlichst nicht beeunflussen lassen sollte.

  • F
    Fritz

    Kleiner Primer zur Einstellung des Verfahrens nach der Strafprozessordnung gefällig?

     

    Lies Paragraphen 153 ff. Strafprozessordnung bis hin zur Strafverfolgung ausländischer Staatsoberhäupter.

     

    Wenn das Unrecht allenfalls gering wäre, bisher wissen wir nämlich darüber nichts, die Staatsanwaltschaft hat es lediglich behauptet und der Richter hat darüber noch nicht abschließend nachgedacht, kann das Verfahren, wenn es kein besonderes Strafbedürfnis gibt, eingestellt werden, unter Umständen gegen eine Geldbuße.

     

    Das ist so im Fall eines kleinen Ladendiebes oder einer Polizistenbeleidigung und eben auch in größeren Fällen. Denn der Staat kann sich nicht um allen Mist kümmern.

     

    Das war selbstverständlich so auch in der DDR mit genau der gleichen Begründung. Die Volksgemeinschaft, wie es da hieß, hat wichtigeres zu tun, sie muss, was sich Herr Gabriel hinter die Löffel schreiben lassen sollte, Schwerpunkte setzen.

  • F
    Fritz

    hält dieses Verfahren für wirklich sehr schwachsinnig und was Gabriel sagt, fällt auf seine schwächelnde Partei zurück. Was ein Ministerpräsident macht ist nämlich absolut nicht das gleiche wie die Tätigkeit eines Finanzbeamten oder eines Polizisten. Es ist Politik.

  • R
    reblek

    "Auch der Anwalt des zweiten Beschuldigen, des Filmmanagers und Wulff-Freundes David Groenewold..." - "des Beschuldigen"? Kleiner Freudscher des afp-Menschen, der lieber "Beschuldigenden" geschrieben hätte?

    "... eine stille Erledigung des Falles scheint jedoch eher unwahrscheinlich..." - Auch ein schöner Deutsch: Da scheint was zu scheinen.

    "Wulff wolle die Ermittler ... zu einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn bewegen." - Wohl eher "gegen sich".

    "Der Zeuge könne aussagen, dass ein Brief Wulffs an Siemens-Chef Peter Löscher im Dezember 2008 kein Zeichen für korruptes Verhalten, sondern ein normaler Vorgang gewesen sei." - Sehr schön, Korrution ist "ein normaler Vorgang". Das ist wohl so, aber dass ein Ex-Buprä das wörtlich so sagt...

  • M
    Moriens

    "Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte die Einstellung des Verfahrens angeboten – in Wulffs Fall gegen die Zahlung von 20.000 Euro, in Groenewolds Fall gegen die Zahlung von 30.000 Euro."

     

    Soso. Und warum? Mit welchem Grund sollte eine unabhängige Justiz jemandem die Möglichkeit einräumen, sich von einer eventuell drohenden Verurteilung freizukaufen? Werden in unseren Gerichten Streitwert und Verfahrenskosten aufgewogen oder wird das für alle geltende Recht durchgesetzt?

  • E
    emil

    "Aber vor dem Gesetz seien „alle gleich“"

     

    die zukunft wird zeigen, ob dem tatsächlich so ist. allein die option sich freizukaufen zeigt doch bereits die erste ungleichheit. wer hat denn schon 20.000 euro bereit liegen, um sich freizukaufen?