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Erinnerungen an Leonard CohenSchönheit, Liebe und Tod

Er gab dem Schmerz eine Grenze und öffnete ihn ins Unendliche: Die Musik von Leonard Cohen ist etwas, mit dem man sterben lernen kann.

Irgendwie war er immer da, wenn es um das Ende ging: Leonard Cohen Foto: reuters

Cohen denke ich immer vom Ende her. Irgendwie war er immer da, wenn es um das Ende ging. Als ich einmal von einem Mann verlassen wurde und im Hintergrund zufällig Cohen lief. Und auch später, als mein Vater sagte, er würde in den nächsten Tagen sterben und dann wirklich starb. Also dann, als sprachlich-kognitiv nichts mehr möglich war, und Ende wirklich Tod meinte.

Cohen gab dem Schmerz eine Grenze und öffnete ihn zugleich ins Unendliche. Das ist der Moment, in dem der Schmerz den Körper erfasst, die Klänge dich zugleich niederschmettern und wieder aufrichten. Wie wenn ein Schleier den Schmerz bedeckte, bloß um ihn zu kultivieren.

Die Musik von Leonard Cohen wurde für mich zu etwas, mit dem man sterben lernen kann. Doch wie lernt man zu sterben, wenn man sich dem Tod, wie Jacques Lacan schrieb, nicht einmal imaginär nähern kann, weil er völlig unrepräsentierbar ist? Vielleicht ist ja alles ganz anders und Cohen repräsentiert bloß den Moment, an dem das Verdrängte ins Leben einbricht.

Vielleicht berührt uns seine Musik genau an dem Punkt, an dem er es schafft, uns einer Verunsicherung auszusetzen. Etwa wenn er Schönheit, Tod und Liebe miteinander verrührt, und so dem Gedanken der Transzendenz Tür und Tor öffnet. In seinem Song „Dance Me to the End of Love“ etwa, wo das Ende und das Ewige eins sind.

Zu diesen Gedanken zwingt er uns mit seiner Musik. Um schließlich ein höfliches Lächeln darüber zu legen, Haltung zu bewahren und: abzutreten.

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3 Kommentare

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  • Ich möchte noch folgende prägnante Erinnerung eines Autors an Cohen wiedergeben. Um 1968 besuchte er das erste tibet.buddhist. Zentrum im Westen, Samye Ling in Schottland: "And rock stars and film stars ...continued to come to the centre. They'd usually end up at my cottage... One such was Leonard Cohen, he was one of the few whose interest in Buddhism was more than a knick-knack found on the shelf of a curiosity-shop called The Sixties. He walked over from Samye Ling in the mornings, a serious young man in a black leather jacket. His humility emphasised the sincerity with which he joined in our quest to find a way through the lies and the myths. Someone asked him to sing "Suzanne" and he shyly sang his beautiful poem, while I gazed at my "place near the river". Black and white tiles, inspired by the Pure Land painting of Choegyam Trungpa. Blue and red panels, silver hexagrams and bright red curtains to keep out the cold. There were wind chimes and mobiles amongst bunches of onions that hung from beams of the ceiling. Images of an era whose children sat on the floor and inhaled its incense, lost in the sound of its song.

    (from Pete Cornish, Dazzled by Daylight, Garranes Publications 2014)

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Vor Jahren sagte Cohen in einem Interview, er könne nicht verstehen warum so viele junge Leute seine Musik mögen.

     

    Ich war damals jung und konnte nicht verstehen, dass er das nicht verstand. Kaum ein anderer Musiker konnte so gut den Soundtrack zu Trauer, Verzweiflung und Melancholie liefern wie er.

     

    Und das ist für mich bis heute so.

  • Leonhard Cohens Werk hebt sich wohltuend von all dem Lärm ab, mit dem die meisten Medien seit Jahren zeitgeistgemäß den Äther zumüllen (gar noch als "Größte Hits aller Zeiten" wie etwa bei SWR1). Dennoch kommt auch ihm zugute, englischer Muttersprachler zu sein - ein Wecker, Mey, Hartz z.B. braucht den Vergleich keinesfalls zu scheuen; von einem Aznavour oder Brel rede ich gar nicht erst.