Erinnerung an rassistische Gewalt: Zeichen gegen rechtsaußen
Rechtsextremismus ist in Brandenburg weiterhin eine Gefahr. In Eberswalde erinnert man an den gewaltsamen Tod von Amadeu Antonio Kiowa.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine Neuigkeit aus Eberswalde besonders ermutigend, die Kreisstadt des Landkreises Barnim mit etwas mehr als 40.000 Einwohnern hinter der nördlichen Stadtgrenze Berlins. Denn dort befindet sich seit vergangener Woche ein sogenannter Geschichtsbaum, der an den gewaltsamen Tod von Amadeu Antonio Kiowa 1990 erinnert.
Auf sechs Tafeln wird in deutscher und englischer Sprache auf die Hintergründe verwiesen. Amadeu Antonio Kiowa wurde 1962 als ältestes Kind einer zwölfköpfigen Familie in Angola geboren. Im August 1987 kam er gemeinsam mit 103 anderen sogenannten Vertragsarbeiter*innen aus Angola voller Hoffnung in die DDR. Eigentlich wollte er Flugzeugtechnik studieren, doch dann erging es ihm wie vielen anderen Vertragsarbeiter*innen. Er musste seinen Pass abgeben und wurde zum für ihn weniger attraktiven Beruf Fleischer ausgebildet. Die Wende brachte für Kiowa wie für alle Vertragsarbeiter*innen große Unsicherheiten.
Auch davon berichten die neuen Tafeln in Eberswalde: Am Abend des 24. November 1990 versammelten sich rechtsextreme Skinheads aus mehreren Dörfern rund um Eberswalde in der Wohnung eines Eberswalder Neonazis mit dem Vorhaben, auf der Straße Schwarze „aufzuklatschen“.
Kiowa wurde von Mitgliedern der Gruppe zusammengeschlagen, erlitt schwerste Kopfverletzungen, wachte nicht mehr aus dem Koma auf und starb elf Tage später. Nach Berichten von Zeitzeugen beobachteten Zivilfahnder der Polizei die Tat, schritten aber nicht ein.
„Eberswalde hat sich seit dem Mord an Amadeu Antonio sehr gewandelt“, berichtet Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung, die den Geschichtsbaum gefördert hat, gegenüber der taz. 1998 wurde diese Stiftung auf Initiative der in Ostberlin geborenen Journalistin und Autorin Anetta Kahane mit dem Ziel gegründet, die Zivilgesellschaft in Deutschland gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus zu stärken. Zwar gebe es in Eberswalde „keine klassische rechtsextreme Szene mehr“, so Reinfrank, dafür aber „eine rechtsextreme Infrastruktur, die sehr mobilisierungsfähig ist“. Er erwähnt beispielsweise die Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen, bei denen in Eberswalde oft über 1.000 Leute erschienen.
Sehr viel aber habe Eberswalde von der Gründung der Hochschule für nachhaltige Entwicklung 1992 profitiert. Gleichzeitig lobt Reinfrank auch die „hartnäckige Arbeit der Zivilgesellschaft und der afrikanischen Community“. Die Stadt plane nun sogar eine Anlaufstelle für Betroffene rassistischer Gewalt bei der Stadtverwaltung. Es scheint, als sei Eberswalde mit ihrer Zivilgesellschaft und ihrem neuen Geschichtsbaum tatsächlich mal eine Reise wert.
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