: Erholung des Patienten
■ Defizit der US-Handelsbilanz verringert / Anhaltende Exportschwäche
Erholung des Patienten
Defizit der US-Handelsbilanz verringert / Anhaltende
Exportschwäche
Von Mäckie Messer
Berlin (taz) - Die US-amerikanische Handelsbilanz weist für April 1988 das niedrigste Defizit seit mehr als drei Jahren auf. Nach Angaben des US-Wirtschaftsministeriums überstieg der Import- den Exportwert um 9,89 Milliarden US-Dollar. Im März hatte das Handelsbilanzdefizit noch 11,70 Milliarden Dollar betragen. Erstmals seit Dezember 1985 veröffentlicht das Wirtschaftsministerium wieder saisonbereingte Zahlen. Durch die statistische Ausschaltung monatlicher Schwankungen sollen den Experten zufolge die veröffentlichten Daten aussagekräftiger gemacht werden. Vor allem dürfte diese Vorgehensweise aber darauf zielen, den Währungsspekulationen etwas den Boden zu entziehen.
Nach Veröffentlichung der April-Zahlen wurde der US-Dollar an den internationalen Devisenbörsen mehr nachgefragt. Entsprechend ist der Dollarkurs angestiegen. Wären die nicht -bereinigten Handelsbilanzzahlen veröffentlicht worden, hätte der Dollarkurs mit Sicherheit einen anderen Verlauf genommen. Unbereinigt nahm das US-Defizit gegenüber dem Vormonat leicht zu.
Die Erfolgsmeldung aus Washington ist allerdings mit Vorsicht zu interpretieren. Selbst wenn die Aprilzahlen einen Entwicklungstrend für das Jahr 1988 anzeigen sollten, würde sich das Handelsbilanzdefizit des gesamten Jahres immer noch auf 142 Milliarden Dollar belaufen. Gegenüber '87 wäre dies eine Verminderung um 30 Milliarden Dollar. An den fundamentalen Ungleichgewichten in der Weltwirtschaft würde sich aber strukturell wenig ändern. Weiterhin werden die USA auf einen hohen Kapitalimport angewiesen sein, um ihr Defizit aus Handels- und Dienstleistungsbilanz zu finanzieren.
Die Verringerung des Handelsdefizits indiziert keine Verbesserung der internationalen Konkurrenzfähigkeit der US -Wirtschaft. Im April verringerten sich nämlich die US -Exporte um 2,5 Prozent auf 26,22 Milliarden Dollar. Allein dank dem noch höheren Abbau der Importe um 6,4 Prozent konnte der Fehlbetrag reduziert werden. Fed-Chef Alan Greenspan hat deshalb auch mit Recht vor zu vorschnellem Optimismus gewarnt, als er darauf hinwies, daß mit einem schnellen Abbau des Fehlbetrags nicht gerechnet werden dürfe.
Im bilateralen Handelsaustausch konnte Japan erneut den größten Überschuß gegenüber den USA erzielen. Unbereinigt belief sich das Defizit der USA auf 4,4 Milliarden Dollar. Gegenüber der Bundesrepublik blieb das Aprildefizit zwar weitgehend konstant, doch haben die USA seit 1987 ihre Position stetig verbessern können. Wie die Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaft in Berlin feststellten, waren dank der starken Dollarabwertung die bundesdeutschen Ausfuhren in die USA im Jahr 1987 sogar real wie nominal rückläufig. Zugenommen haben seither auch die Importe aus den USA. Neben Datenverarbeitungsanlagen und Spezialmaschinen konnte die US-Industrie verstärkt Massenbedarfsartikel in der Bundesrepublik absetzen. Daneben können die USA vor allem Produkte der Agro-Industrie sowie Rohstoffe, Halbwaren und Fertigwaren-Vorerzeugnisse auf den bundesdeutschen Märkten verkaufen. Diese Produktpalette dürfte aber weder gegenüber der Bundesrepublik noch den anderen großen Handelspartnern ausreichen, das strukturelle Handelsbilanzdefizit zu schließen. Gerade auf dem Feld der „fordistischen“ Massenbedarfsgüter stehen die USA in scharfer Konkurrenz zu den südostasiatischen Schwellenländern, die in den letzten Jahren auf diesen Märkten ihre Position auszubauen vermochten.
Dem Abbau des Handelsbilanzdefizits auf dem Wege verstärkter Exporte sind durch die bescheidene Zahl international konkurenzfähiger Produkte enge Grenzen gesetzt. Hier schlagen sich die Konsequenzen der Reaganomics nieder. Der jahrelange „Überkonsumismus“ der neuen Mittelschichten, der sich vor allem auf ausländische Produkte richtete, hat viele US-amerikanische Industriezweige weit zurückgeworfen. Am Ende der Amtszeit Reagans wird unübersehbar, daß die Importflut eingedämmt werden muß, soll das Handelsbilanzdefizit zurückgefahren werden. Trotz des jüngst abgeblasenen neuen Handelsgesetzes, das eine breite Palette von Importbeschränkungen vorsah, ist das Thema Protektionismus noch lange nicht vom Tisch. Der nächste Präsident wird sich einiges einfallen lassen müssen, um die USA auf die Beine zu bringen. Bis dahin werden uns die monatlichen Handelsbilanzzahlen noch beschäftigen.
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