Erhöhung der Parteienfinanzierung: „Neuland“ vor Gericht
FDP, Linke, Grüne sowie die AfD klagten 2018 gegen die Ausweitung der staatlichen Parteifinanzierung. Jetzt verhandelt das Bundesverfassungsgericht.
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Seit 1994 erhalten die Parteien keine „Wahlkampfkostenerstattung“ mehr, sondern eine „staatliche Teilfinanzierung“. Pro Euro Mitgliedsbeitrag oder Spende gibt der Staat 45 Cent dazu. Außerdem gibt es pro Wählerstimme 86 Cent aus der Staatskasse (vorausgesetzt die Partei kommt über 0,5 Prozent der Stimmen bei Bundes- und Europawahlen oder 1,0 Prozent der Stimmen bei Landtagswahlen).
Die Gesamtsumme für die Parteifinanzierung ist allerdings aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 1992 gedeckelt. Maximal 165 Millionen durfte der Bund bis 2018 jährlich für die Parteien ausgeben. Die Summe wurde zwar an Preissteigerungen angepasst, eine richtige große Erhöhung gab es aber erst im Juni 2018. Um rund 15 Prozent sollte die Obergrenze auf 190 Mio Euro steigen. Es wurde damals vermutet, dass vor allem die SPD Interesse an der Erhöhung hatte, weil sie wegen schlechter Wahlergebnisse stark sparen musste.
Gegen die Reform erhoben 216 Abgeordnete von FDP, Linken und Grünen eine gemeinsame Normenkontroll-Klage. Sie beriefen sich auf das alte BVerfG-Urteil von 1992. Danach ist die staatliche Parteifinanzierung auf das Unerlässliche beschränkt – also auf das, was die Parteien nicht selbst aufbringen können. Die Bürger:innen sollten nicht den Eindruck bekommen, die Parteien könnten sich aus dem Staatshaushalt einfach selbst bedienen; dies wäre schädlich für die Demokratie. Eine Erhöhung der Obergrenze, die über den Inflationsausgleich hinausgeht, sei nur möglich, so Karlsruhe im Jahr 1992, wenn sich die Verhältnisse „einschneidend“ ändern. Eine solche einschneidende Änderung der Verhältnisse konnten die Oppositionsabgeordneten 2018 freilich nicht erkennen.
Das Internet ist schuld
SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan begründete in Karlsruhe jetzt die Erhöhung mit der zunehmenden Digitalisierung der politischen Kommunikation. Die seriösen Parteien dürften die Kommunikation im Internet und den sozialen Netzwerken nicht den Populisten überlassen. „Wir müssen jetzt alles doppelt machen“, sagte Nietan. Schließlich müssten auch weiter klassische Veranstaltungen organisiert und Gespräche am Infostand geführt werden. So ähnlich hatte die GroKo auch 2018 argumentiert.
Für die Oppositions-Kläger:innen kritisierte Rechtsprofessorin Sophie Schönberger die „dünne Argumentation“. Gerade weil die Parteien hier „in eigener Sache entscheiden“, wäre eine viel ausführlichere Begründung erforderlich gewesen.
Die AfD wollte sich eigentlich der Normenkontrolle anschließen, doch FDP, Linke und Grüne lehnten dies ab. Deshalb erhob die AfD eine eigene Klage, in der sie das übereilte Gesetzgebungsverfahren rüffelte. Das Gesetz war binnen zehn Tagen durch den Bundestag geschleust worden. „Die AfD hatte weder Zeit, sich gründlich einzuarbeiten, noch die Öffentlichkeit zu mobilisieren“, sagte ihr Rechtsvertreter Ulrich Vosgerau. Dadurch seien Mitwirkungsrechte der Fraktion verletzt worden. Die Richter:innen zeigten sich jedoch skeptisch gegenüber dieser Klage, da der Bundestag alle Fristen der Geschäftsordnung eingehalten hatte.
Mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist erst in einigen Monaten zu rechnen. Der federführende Richter Peter Müller sagte, manche Fragen seien „Neuland“ für das Gericht.
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