Erdogan in Köln: Der Besucher kommt ungelegen
Der türkische Ministerpräsident will in Köln eine Rede halten. Die einen freuen sich auf ihren „Anführer“, andere sorgen sich. Proteste sind geplant.
KÖLN taz | Der geplante Auftritt von Recep Tayyip Erdogan am kommenden Wochenende in Köln sorgt für heftige Proteste: Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien werfen dem türkischen Ministerpräsidenten vor, er wolle Wahlkampf in Deutschland betreiben – ungeachtet des jüngsten Grubenunglücks im türkischen Soma. Mehrere Organisationen rufen zu Demonstrationen auf.
Erdogans Auftritt und die Rede in der bis zu 20.000 Menschen fassenden Kölner Lanxess Arena sind lange geplant. Mit seinem Besuch will er offensichtlich seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl in der Türkei am 10. August vorbereiten. Dann dürfen erstmals auch im Ausland lebende türkische Staatsbürger ihre Stimme abgeben. „Erdogan exportiert innertürkische Konflikte nach Deutschland und schürt den türkischen Radikalismus“, kritisierte der Sprecher der Alevitischen Gemeinde Deutschland (AABF), Yilmaz Kahraman.
Unter dem Motto „Für Demokratie und Pluralität in der Türkei“ ruft die AABF zu einer Gegendemonstration durch die Innenstadt zum Kölner Dom auf. Sie erwartet bis zu 20.000 Teilnehmer. Außerdem will der kurdische Verein Mala Kurda direkt vor der Lanxess-Arena protestieren. Die Polizei rechnet mit weiteren Spontandemos und bereitet sich auf einen Großeinsatz vor.
Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) empfahl dem türkischen Premier, seinen Besuch in Köln abzusagen: „Ich glaube, Herr Erdogan hat im Augenblick eher die Aufgabe, sich um die Grubensicherheit in der Türkei zu kümmern und sich den Hinterbliebenen zu widmen, anstatt hier in Köln Wahlkampf für die Staatspräsidentenwahl zu machen“, sagte Roters dem Fernsehsender N24.
„Jeder polarisierende Auftritt ist in diesen Tagen unangemessen“, sagte die integrationspolitische Sprecherin der nordrhein-westfälischen CDU-Landtagsfraktion, Serap Güler. Deshalb solle Erdogan „in der Türkei bleiben und auf Feierlichkeiten verzichten“. Die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen sah das genauso: „Erdogans Heuchelei und Zynismus sind nicht willkommen.“ Mit Blick auf die Vorkommnisse in Soma sagte sie, der 60-jährige AKP-Politiker gehöre vor ein Tribunal in Ankara und nicht auf eine Tribüne in Köln. Wie auch die grüne Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth rief Dagdelen auf, die Proteste zu unterstützen.
Offizieller Veranstalter der Erdogan-Sause ist die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Deren Europazentrale residiert in einer früheren Direktorenvilla der Spiegelglaswerke „Germania“ im Kölner Stadtteil Porz. In ihrer Satzung gibt sich die UETD „parteipolitisch und weltanschaulich neutral“. Auch behauptet sie, für die Integration der in Deutschland lebenden Menschen mit türkischer Zuwanderungsgeschichte einzutreten.
Offenkundige Camouflage
Doch das ist offenkundig Camouflage: Seit Jahren agiert die UETD als Erdogans Lobbytruppe in der Bundesrepublik. So organisierte sie bereits seine umstrittenen Auftritte 2008 in Köln, 2011 in Düsseldorf und im Februar dieses Jahres in Berlin.
Auch die Düsseldorfer Anti-Gezi-Park-Kundgebung im Juli vergangenen Jahres geht auf ihr Konto. „Wir sind stolz, so einen Anführer wie Erdogan zu haben“, sagte der UETD-Präsident Süleyman Celik.
Offiziell verkündet die 2004 gegründete Vereinigung, Anlass des Besuchs Erdogans in Köln sei das zehnjährige Jubiläum der UETD. Es handele sich also keineswegs um eine Wahlkampfveranstaltung. Zweifel sind angebracht. Zur Kritik an dem Aufritt wollte die Organisation zunächst nicht Stellung nehmen und verwies auf eine für Donnerstag geplante Pressekonferenz.
Die Bundesregierung reagiert zurückhaltend: Sie gehe „davon aus, dass Ministerpräsident Erdogan mit Verantwortungsbewusstsein und Sensibilität sich diesem Auftritt widmet“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Ähnlich äußerte sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir zeigte sich skeptisch: „Herr Erdogan polarisiert, spaltet in der Türkei und wird dieses auch in der Bundesrepublik Deutschland tun unter den Menschen türkischer Herkunft“, sagte er im Deutschlandfunk.
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