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Erdoğans fatales KrisenmanagementDie Grenzen der Alleinherrschaft

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Die Türkei zeigt, dass ein autoritärer Staat durchaus nicht besser auf eine Krise reagieren kann als eine Demokratie.

Fiebermessen in der türkischen Hauptstadt Ankara Foto: AP

W ährend Regierungen überall auf der Welt gerade ein Comeback erleben, gerät ausgerechnet der starke Mann der Türkei angesichts der Coronakrise zunehmend unter Druck. Statt als fürsorgender Staatsmann zu punkten, wirken alle Maßnahmen, die die Regierung trifft, zu spät und zu unkoordiniert. Lange wurde die Krise heruntergespielt. Als dann schnell steigende Infizierten-Zahlen doch Maßnahmen erzwangen, hatten viele Türken das Gefühl, es gehe Erdoğan mehr darum, die Wirtschaft zu retten, als die Bevölkerung zu schützen.

Während die Türkei aus Imagegründen Schutzkleidung nach Italien und Großbritannien schickte, gab es im Land selbst keine Schutzmasken. Als es welche gab, sollten sie zunächst verkauft werden, doch weil die Armen sich das nicht leisten können, sollte man sie dann online kostenlos bestellen. Da dort niemand durchkam, müssen es jetzt die Apotheken richten. Genauso chaotisch wird die Frage der Ausgangssperre gehandhabt. Weil die Wirtschaft nicht beeinträchtigt werden soll, gilt die Ausgangssperre nur für über 65-Jährige und Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren. Doch die Fabriken erweisen sich als schlimme Virenschleudern.

Statt auf den Wissenschaftsrat zu hören und eine Ausgangssperre für zwei Wochen, und zwar für alle zu verhängen, wurde eine völlig verunglückte Quarantäne nur für das Wochenende verkündet. Die Folge war ein solches Chaos, dass der Innenminister seinen Rücktritt anbot, was Erdoğan aber ablehnte. Die Alleinherrschaft eines Mannes gerät angesichts der Krise endgültig an ihre Grenzen. Die Folgen des autoritären Stils werden im Land verheerend sein. Selbst eine eigentlich gute Vorarbeit – Erdoğan ließ in den letzten zehn Jahren etliche neue Kliniken bauen und investierte in das Gesundheitssystem – kommt nun wegen des erratischen Regierungshandelns nicht zum Tragen. Die Türkei zeigt, dass ein autoritärer Staat durchaus nicht besser auf eine Krise reagieren kann als eine Demokratie.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Das Blöde an den starken Männern, die durchgreifen und der Sache wegen, gerne auch mal Fünfe gerade sein lassen ist, dass wenn sie Ersteres nicht, nur in Ihrem Sinne, oder gar nicht machen, es eben auch hierüber keinen Diskurs geben kann, darf und wird.

  • Die Behauptung, dass Schutzausrüstung dem eigenen Volk vorenthalten wird, um sie aus Imagegründen in andere Länder zu verschicken, habe ich auch schon zu Putin gelesen.

    Für mich mutet so etwas töricht an, für so blöd halte ich eigentlich keinen der beiden (für so böse vielleicht schon...)

    Gibt es zu der Behauptung auch eine Faktenlage?



    Ein Beitrag von Correctiv lässt nämlich anderes vermuten.



    tinyurl.com/w53ffh7

    Dass sich die Armen kaum eine Möglichkeit haben, an Schutzausrüstung zu kommen, ist traurig, deckt sich aber wohl mit derzeit fast allen stärker betroffenen Ländern

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    "Die Türkei zeigt, dass ein autoritärer Staat durchaus nicht besser auf eine Krise reagieren kann als eine Demokratie."

    Oh, wer hätte das denn vermutet? Diktaturen können es noch schlechter, allerdings erfährt die Welt nicht viel über deren Unfähigkeit. Aus China wird man vielleicht in hundert Jahren erfahren, wieviele Menschen gestorben sind.

  • Na ja, Parallelen zu den USA sind ja nicht übersehbar, wobei E und T vergleichbare Charaktere sind. Die Länder haben allerdings ganz andere Traditionen.

    • @Sarg Kuss Möder:

      "An Kaisern fehlt es uns nicht, nur an Persönlichkeiten."



      Albert Camus

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Sarg Kuss Möder:

      Der Unterschied ist noch, dass amerikanische Zahlen stimmen.



      Türkische und Chinesische werden erfunden.