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Erdoğans Re-Islamisierung der TürkeiEine Moschee für den Taksimplatz

Mit dem Moscheebau verbucht Erdoğan einen weiteren Sieg für sich. Schon vor Jahren wollte er den Taksimplatz umbauen – damals durfte er nicht.

Auf dem Taksim-Platz steht auch das „Denkmal der Republik“ mit einer Atatürk-Statue Foto: imago/All Canada Photos

Istanbul taz | „Ein Traum wird wahr“, jubelte Yeni Akit, das schlimmste Islamistenblatt der Türkei, am Mittwoch auf seiner Titelseite. „Nach einem halben Jahrhundert Kampf wird nun die Moschee auf dem Taksim-Platz gebaut“.

Tatsächlich erzielt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan mit dem jetzt beschlossenen Moscheebau erneut einen wichtigen symbolischen Sieg über die alte, republikanische Türkei. Der Taksimplatz in Istanbul mit dem Gezipark, der Staatsoper und dem Denkmal für den Unabhängigkeitskrieg war immer das Aushängeschild der 1923 gegründeten türkischen Republik und den Islamisten damit von Beginn an ein Dorn im Auge.

Besonders deutlich wurde das während des Gezi-Aufstands 2013. Als Erdoğan erklärte, auf dem Gelände des Geziparks eine ehemalige osmanische Kaserne als Retrobau mit eingelagertem Einkaufszentrum errichten zu wollen, war das der Auslöser einer Protestbewegung, die am Ende zu einer landesweiten Bewegung wurde und weit über die ökologische Frage der Parkbebauung hinausging. Letztlich ging es auch damals darum, wer über die Deutungshoheit in der Türkei verfügt: das säkulare republikanische Lager oder die Islamisten der Neuen Republik Erdoğans.

Im Rückblick wird deutlich, dass die Niederschlagung der Gezi-Proteste der Anfang vom Ende der säkularen Türkei war. Die Bestätigung dafür ist jetzt die Entscheidung für den Moscheebau. Jahrzehntelang war verhindert worden, dass der Charakter des Taksimplatzes durch den Bau einer großen Moschee umgewandelt wird.

Schon in den 80er Jahren gab es Bemühungen der Islamisten, die Erdoğan während seiner Zeit als Istanbuler Bürgermeister Anfang der 90er Jahre massiv unterstützte. Damals konnte er sich noch nicht durchsetzen, jetzt ist es so weit.

Moschee mit Tiefgarage

Am Montagabend hat die formal zuständige Denkmalschutzbehörde dem Moscheebau zugestimmt. Für die neue Moschee sind Läden und kleinere Geschäfte abgerissen werden. Sie soll auf rund 1.500 Quadratmetern errichtet werden und 2.500 Gläubigen Platz bieten. Als gewiefte Geschäftsleute lassen die zuständigen AKP-Politiker unter der Moschee noch schnell eine Tiefgarage bauen.

„Die Moschee wird mit anderen Gotteshäusern unsere Vielstimmigkeit repräsentieren“, behauptete der Bezirksbürgermeister der AKP, Ahmet Misbah Demircan, scheinheilig auf Twitter.

Eine der Sprecherinnen der Bürgerinitiative, die 2013 die Proteste gegen die Bebauung des Geziparks organisiert hatte, die Architektin Mücella Yapici, sagte, der Moscheebau würde nur „künstliche Spannungen“ im Volk erzeugen. Niemand rechnet mehr damit, dass sich die Proteste vom Gezipark wiederholen könnten.

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2 Kommentare

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  • erstmal in ruhe den architekten-wettbewerb abwarten.

    am ende wird's 'ne tolle touristenattraktion und zieht viele besucher an.

    sei es doch den menschen in istanbul gegönnt.

  • Dass die unselige Verbindung aus Islamismus und Konsumismus, die Erdogan auf dem Taksimplatz monumentalisiert, den demokratischen Kräften der Türkei ein Graus ist, liegt auf der Hand.

    Was mir in den taz-Artikeln über Erdogans Politik mitunter jedoch sauer aufstößt, ist, dass der Eindruck vermittelt wird, die laizistische Tradition der türkischen Republik, die er zunichte macht, sei eine demokratische - besonders augenfällig, wenn die CHP als "sozialdemokratisch" bezeichnet wird (was in diesem Artikel freilich nicht der Fall ist).

    So richtig die Solidarisierung mit dem Widerstand gegen Erdogan ist, so falsch wäre es, den kemalistischen Laizismus nostalgisch zu verklären - das Foto des monströsen Denkmals über diesem Artikel gibt einigen Aufschluss darüber, wie es um dessen Verhältnis zu einer freiheitlich und pluralistisch verfassten Gesellschaft steht (oder zumindest stand).

    Atatürk, der Gründer jener Republik, die gegenwärtig zerstört wird, ging brutal gegen Andersdenkende und namentlich gegen die Kurden vor, propagierte einen völkisch gefärbten Nationalismus und errichtete eine Einparteiendiktatur der - eben nicht "sozialdemokratischen" - CHP.

    Vor diesem historischen Hintergrund bräuchte es eine Auseinandersetzung mit der Pluralität derer, die sich heute gegen Erdogan erheben - und die zum Teil, aber sicherlich nicht mehrheitlich, jene sind, die dem autokratischen "Vater der Türken" huldigen. Die Opposition Islamismus (diktatorisch, also böse) versus Säkularismus (demokratisch, also gut) geht nicht auf. Der taz traue ich zu, ein differenzierteres Bild zu vermitteln.