berliner szenen: Er kriegt seine Tage, was nun
Ich hasse das: Wenn Szenen aus meinem Buch, also Sachen, die ich mir ausgedacht habe, wirklich passieren. Andersrum finde ich das okay: Ich lauf so durchs Leben, irgendwas ist und ich schreib das auf. Super ist das, Sprungbrett in die Fiktion. Aber wenn das, was ich äußerst dramatisch gemacht hab auf dem Papier, mit fiesen Details, lebendig wird? Nee, das passt mir nicht. Und erst recht nicht, wenn ich nicht vorbereitet bin. Menstruation.
Auf die bin ich nie vorbereitet; ich führ keinen Kalender. Sollte ich aber. Genauso wie der Held in meinem Buch. Richtig schwer habe ich’s dem gemacht: Er kriegt seine Tage, und nirgends ein Tampon in Sicht. Die Jungs um sich herum kann er nicht fragen; nicht weil sie Jungs sind und eh keine dabeihaben, sondern weil der Held eben ein Held ist und keine Heldin. Und als Held, männlich, kriegt man seine Tage nun mal nicht einfach so, ohne den männlichen Heldenstatus dadurch komplett zu riskieren. Fieses Detail, sag ich doch.
Im Leben jetzt ist es nicht ganz so fies. Erstens bin ich kein Held und zweitens sitz ich in einem Seminar mit Leuten, die wissen, dass es bei mir potenziell tropft. Trotzdem: Die nächste Pause ist erst für in einer Stunde angesetzt. Was mach ich bis dahin? Weiter tropfen? Aufs Klo und mit Klopapier stopfen?
Nur Klopapier sitzt nicht fest in der Wäsche. Das hat mein Held auch schon gemerkt, als er plötzlich’ne zweite künstliche Beule hatte. Noch so’n fieses Detail. Vielleicht sollte ich weniger fies sein auf dem Papier, damit’s dann für mich weniger fies ist, wenn die Fiktion überschwappt auf mein Leben. Aber das soll sie ja nicht, und sowieso muss ich jetzt wirklich mal was machen gegen das Tropfen.
„Tampon dabei?“, frag ich die neben mir, und der Rest ist ganz einfach. Ach, wär das doch mal so für meinen Helden! Joey Juschka
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