Entwurf für Wahlrechtsreform: Weg vom XXL-Bundestag
Das Parlament soll wieder auf sein Normalmaß schrumpfen. Ein Gesetzentwurf von Rot-Grün-Gelb sieht künftig 598 statt der derzeit 736 Abgeordneten vor.
Der Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP sieht nun vor, dass es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben soll. Dies kann zur Folge haben, dass in einem Wahlkreis direkt gewählte Abgeordnete keinen Sitz im Bundestag erhalten werden.
Die Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen im Bundestag schickten den Gesetzentwurf am Sonntag an CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU). In einem Schreiben boten sie Gespräche darüber an. „Die Fraktionen der demokratischen Mitte eint, eine massive Vergrößerung des Bundestages über seine gesetzliche Regelgröße für zukünftige Bundestagswahlen vermeiden zu wollen“, heißt es darin. „Deshalb möchten wir für die nächste Bundestagswahl eine Lösung finden, die breit getragen werden kann.“ Brief und Gesetzentwurf liegen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Mandate erringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Diese zusätzlichen Mandate darf die Partei behalten. Die anderen Parteien erhalten dafür Ausgleichsmandate.
Aktuell ist der Bundestag eines der größten Parlamente der Welt. Nach dem Gesetzentwurf bleibt es bei der bisherigen Einteilung in 299 Wahlkreise und bei zwei Stimmen, die jede Wählerin und jeder Wähler vergeben kann. Für die Sitzverteilung im Bundestag sollen künftig allein die Zweitstimmen ausschlaggebend sein. Sie werden im Entwurf „Hauptstimmen“ genannt, die Erststimmen heißen „Wahlkreisstimmen“.
Über das Hauptstimmenergebnis wird berechnet, wie viele der 598 Mandate jeder Partei bundesweit zustehen und wie sich diese auf die einzelnen Landeslisten verteilen. Gewinnt eine Partei weniger Wahlkreise direkt, als ihr Mandate zustehen, werden die restlichen Mandate über die Liste verteilt.
Gewinnt sie aber mehr Wahlkreise direkt, als Sitze nach dem Hauptstimmenergebnis auf sie entfallen, gehen die Kandidatinnen und Kandidaten mit dem schlechtesten Wahlkreisstimmenergebnis leer aus. „Die erfolgreiche Kandidatur im Wahlkreis setzt also künftig neben der relativen Mehrheit eine Deckung durch Hauptstimmen voraus“, heißt es dazu im Gesetzentwurf.
Der Verzicht auf Überhang- und Ausgleichsmandate würde alle Parteien treffen. Bei der Bundestagswahl 2021 gab es davon 138. Davon entfielen auf die Union 41, auf die SPD 36, auf die Grünen 24, auf die FDP 16, auf die AfD 14 und auf die Linke 7.
Der Gesetzentwurf soll in dieser Woche von den Fraktionen beraten werden. Er dürfte auch in den Reihen der Ampel nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen, weil sich Abgeordnete ausrechnen können, dass sie mit den neuen Regeln bei der nächsten Wahl ihr Mandat verlieren werden.
Noch größer dürfte der Widerstand bei der Union werden. CDU und vor allem CSU haben in den vergangenen beiden Legislaturperioden eine wirksame Wahlrechtsreform verhindert, weil sie von den geltenden Regelungen am meisten profitierten. Sie ließen sogar Reformversuche der Bundestagspräsidenten Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble (beide CDU) ins Leere laufen.
„Die Zeit der Ausreden für eine echte Wahlrechtsreform muss vorbei sein. Der Deutsche Bundestag muss kleiner werden“, sagte am Sonntag Konstantin Kuhle, der Obmann der FDP in der Bundestags-Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit. Die Ampel-Fraktionen zeigten hierfür jetzt einen Weg auf und machten der Union ein konkretes Gesprächsangebot. „Wir wollen, dass eine Reform des Bundestagswahlrechts von einer breiten Mehrheit des Parlaments beschlossen wird, um die Akzeptanz des neuen Wahlrechts sicher zu stellen“, betonte Kuhle.
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