Entwicklungsländer in der Coronakrise: Weltbank dringt auf Schuldenerlass
Die Wirtschaftskrise trifft die armen Länder besonders hart, warnt der Chef der Weltbankgruppe. 150 Millionen Menschen weltweit droht extreme Armut.
IWF und Weltbank fordern die Weltgemeinschaft auf, Entwicklungsländern Schulden zu erlassen. Der Chef der Weltbank-Gruppe, der US-amerikanische Ökonom David Malpass, warnte in einer Rede vor drastischen Folgen für die ärmsten Länder: Die „Pandemie der Ungleichheit“ sei zunehmend eine Gefahr für die politische Stabilität und die soziale Ordnung in vielen Entwicklungsländern, bis hin zu einer Bedrohung für die Demokratie.
Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, warnte in einem vergangenen Freitag veröffentlichten Papier, dass globale Schulden dringend umstrukturiert werden müssten, Entwicklungsländern drohe sonst ein verlorenes Jahrzehnt.
Nächste Woche findet die Herbsttagung von IWF und Weltbank statt, in der sich traditionell die Chefs der Notenbanken sowie die Staats- und Regierungschefs in Washington beraten – nun findet das Treffen virtuell statt. Es soll dabei vor allem um den ökonomischen Wiederaufbau speziell in sogenannten Entwicklungsländern gehen.
Die sind in vielerlei Hinsicht härter von der Pandemie betroffen: Während sich die Wirtschaft in Deutschland erholt, fehlen dort beispielsweise immer noch die Einnahmen aus dem Tourismus, weil Reisebeschränkungen weiterbestehen. Schulschließungen bedeuten dort den Totalausfall des Unterrichts – Unicef spricht von einer „digitalen Spaltung“: In Indien und vielen afrikanischen Staaten haben drei Viertel der Bevölkerung keinen Zugang zum Internet.
Armutsfolge: Höhere Kindersterblichkeit
Eine Auswertung des IWF zeigt das ganze ökonomische Dilemma: In wirtschaftlich entwickelten Länder stieg der Schuldenstand der Staaten 2020 im Schnitt um 20 Prozent der Wirtschaftsleistung – ein Wert, der sonst um die 3 Prozent liegt. Das ist in dem Fall aber gut, weil die reichen Länder in gleicher Höhe ihre Wirtschaft gestützt und ihre Bürger*innen geschützt haben.
In den ärmsten Ländern stieg die Verschuldung im Schnitt nur um 7 Prozent – und nur einen Teil davon gaben die Staaten aus, um die Pandemie zu bekämpfen. Die Folge: Bis 2021 werden wahrscheinlich 150 Millionen Menschen weltweit in extreme Armut rutschen, also weniger als 1,9 Dollar am Tag zur Verfügung haben. Kinder- und Säuglingssterblichkeit würden zunehmen, warnen IWF und Weltbank.
Als Gegenmaßnahme verlangen sie zunächst, ein Programm der G20-Staaten vom April um ein Jahr zu verlängern. Es sieht ein Moratorium für Schuldenrückzahlung und Zinszahlung für die ärmsten Länder vor.
Allerdings ist der Effekt gering, wie eine Auswertung zeigt, weil private Gläubiger sich größtenteils nicht beteiligen. Die Regierungen müssten die privaten Gläubiger dazu bringen, an dem Programm teilzunehmen, forderte Malpass. Derzeit seien selbst die Ärmsten der Armen verpflichtet, für die Schulden ihrer Regierungen einzustehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär