Entschädigung für Ex-Guantanamo-Häftlinge: Großbritannien zahlt Millionen
Die Regierung hat sich mit mehreren Ex-Insassen des US-Lagers auf Zahlungen in Millionenhöhe geeinigt. Diese sollen nun künftig von Foltervorwürfen gegen die britischen Geheimdienste ablassen.
LONDON afp/taz | Die britische Regierung hat sich Medienberichten zufolge mit ehemaligen Häftlingen des berüchtigten US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe geeinigt. Wie der Fernsehsender ITN am Dienstag berichtete, schloss die Regierung nach wochenlangen Verhandlungen mit dem aus Äthiopien stammenden britischen Staatsbürgers Binyam Mohamed und weiteren Ex-Häftlingen eine außergerichtliche Einigung. Die Entschädigungen haben laut der britischen Tageszeitung The Independent zur Bedingung, dass die Ex-Häftlinge künftig davon absehen, den britischen Geheimdiensten weiterhin eine Mitwisserschaft an ihren Folterungen in dem Lager vorzuwerfen.
Die sieben Ex-Insassen bezichtigten die Geheimdienste MI5 und MI6, sich zu Komplizen der Überstellungsflüge ins US-Gefangenenlager und der dortigen inhumanen Behandlung gemacht zu haben. Angehörige der Dienste sollen aktiv an Verhören von einigen der Insassen beteiligt gewesen sein. Mehrere der Ex-Häftlinge gaben an, man habe sie der Praxis des Waterboarding unterzogen. Einer soll die Sehkraft eines Auges einbüßt haben - nachdem ihm dieses mit einem in Pfefferspray getränkten Lumpen eingerieben worden sei.
Die Männer hatten ein Gerichtsverfahren angestrengt, dass in seinem Fortgang die Regierung dazu verpflichtet hätte, Hunderttausende von Geheimdokumenten auszuhändigen. Die Vereinbarungen über die Entschädigung wurden zwischen Juristen der Regierung und Vertretern der Ex-Gefangenen getroffen. Sie wurde von Premier David Cameron abgesegnet, der noch im Juli vor dem Unterhaus darüber geklagt hatte, dass die Geheimdienste durch die "Büroarbeit paralysiert" seien, die sie für die Vorbereitung des Gerichtsverfahrens aufwenden müssten.
Bei den Ex-Insassen handelt es sowohl um britische Staatsbürger als auch um Bürger aus anderen Ländern, die in Großbritannien Asyl beantragt haben. Laut dem Fernsehsender ITN soll ein Häftling mehr als eine Million Pfund (1,1 Millionen Euro) erhalten. Die Regierung in London teilte mit, Justizminister Ken Clarke werde noch am Dienstag dem Parlament eine Erklärung abgeben. Premier Cameron hatte ebenfalls im Juli eine Untersuchung einer möglichen Mitschuld der Geheimdienste an der Folter von Terrorverdächtigen durch US-Ermittler angekündigt. Auch Entschädigungszahlungen an Ex-Guantanamo-Insassen hatte Cameron damals schon nicht ausgeschlossen.
Der bekannteste der sieben Fälle ist der von Mohamed, der 2002 in Pakistan festgenommen wurde und über Marokko ins US-Gefangenenlager Guantanamo kam. Nach vier Jahren wurde er entlassen. Vergangenes Jahr förderten Gerichtsdokumente zu Tage, dass Mohameds Genitalien mit einem Skalpell aufgeschlitzt worden seien. Mohamed sei weiterer Folter ausgesetzt gewesen, gegen die, so ein Gerichtsmitarbeiter, Waterboarding eher noch zu den harmloseren Methoden gerechnet werden müsste. Während eines von US-Ermittlern geleiteten Verhörs kurz nach seiner Festnahme soll ein MI5-Agent die Fragen gestellt haben.
Die Beschuldigungen beziehen sich auf die Geheimdiensttätigkeit während der Regierungszeit von Labour. Als Mohameds Vorwürfe erstmals öffentlich wurden, forderte der damalige Schattenjustizminister der Tories, Dominic Grieve, heute auf dem Posten eines Generalstaatsanwalts, ein Ermittlungsverfahren. Jetzt erhofft sich die Regierung, mit der außergerichtlichen Einigung einen Schlussstrich unter die Geheimdienstaffäre zu ziehen. Doch schon, so The Independent würden Vorwürfe laut, dass sich mit Steuergeldern das Schweigen der Ex-Häftlinge erkauft worden sei.
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