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Entlassung von Staatssekretär in BerlinMacher im Hintergrund

Kommentar von Plutonia Plarre

Innenstaatssekretär Torsten Akmann wurde von Innensenatorin Iris Spranger (beide SPD) in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Torsten Akmann stellt sich der Presse Foto: dpa

D ie Nachricht wurde Anfang der Woche bekannt: Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) hört nach gut sechs Jahren in dem Amt auf. Wen kümmert's, werden sich viele Leute denken, die den Namen nie gehört haben. In Sicherheitskreisen dagegen zeigte man sich entsetzt. Akmann galt als ausgewiesener Fachmann, der einige Krisen gemeistert hat. Manchen galt er sogar als der heimliche Innensenator.

Für Außenstehende kam die Ankündigung völlig überraschend. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) habe dem Senat im Einvernehmen mit Akmann vorschlagen, ihn in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, teilte ein Pressesprecher am Montag mit. Am Dienstag wurde Akmann offiziell entlassen. Was ist passiert? Warum gerade jetzt? Weder Spranger noch Akmann haben sich dazu öffentlich geäußert.

Um so heftiger brodelt die Gerüchteküche. Von Anfang an soll es an geknirscht haben zwischen dem Staatssekretär und Innensenatorin Spranger, die Ende 2021 ins Amt kam. Die Chemie habe nicht gestimmt, heißt es. Spranger soll Akmann auch als überbewertet empfunden haben, womit sich um so mehr die Frage nach ihrer eigenen Qualifikation stellen würde.

Eine Lesart wäre, dass Akmann sich Spranger nicht untergeordnet hat und diese deshalb auf die Entlassung gedrängt habe.

Eine andere Lesart: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Denn käme es zu einer Koalition zwischen CDU und SPD oder aber CDU und Grünen, würde die CDU auf jeden Fall das Innenressort für sich reklamieren. Akmann wäre damit weg vom Fenster. Aber warum die Eile mitten in den Sondierungen, wo noch nicht klar ist, wohin die Reise geht?

Trennung war lange vereinbart

Der Wahrheit wohl am nächsten kommt nach Informationen der taz ein anderes Szenario: Die Trennung war schon vor längerem vereinbart, sollte aber erst nach der Berliner Wiederholungswahl vollzogen werden.

Der 58-jährige Jurist Akmann war seit Dezember 2016 Staatssekretär für Inneres. Der damalige Senator Andreas Geisel (SPD) hatte ihn aus dem Bundesinnenministerium nach Berlin geholt. Akmann, seit 30 Jahren Mitglied der SPD, gilt aus ausgewiesener Geheimnisdienst- und Sicherheitsspezialist mit jahrzehntelanger Verwaltungserfahrung. Für die Berliner Innenverwaltung, die vor dem Regierungswechsel 2016 von Dilettanten wie dem CDU-Innenstaatssekretär Bernd Krömer geleitet wurde, war Akmann ein Glücksfall.

Anders als seine Nachfolgerin Iris Spranger war der Nichtjurist Geisel so klug, Akmann weitestgehend freie Hand zu lassen. Man könnte auch sagen, die Beinfreiheit, die man in dem Job als Staatssekretär braucht. Das erste Krisenszenario, das Akmann sechs Tage nach seinem Amtsantritt zu meistern hatte, war der Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz. Die Aufarbeitung hat Jahre gedauert. Akmann war es, der Barbara Slowik als Polizeipräsidentin nach Berlin holte und den Chef des Verfassungsschutzes, Michael Fischer.

In einem Schreiben, mit dem er sich dieser Tage von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Innenverwaltung verabschiedete, hat Akmann beispielhaft einige Projekte seiner Amtszeit benannt: Ein reformiertes Katastrophenschutzgesetz, eine vereinfachte Abschiebung von Intensivtätern, eine höhere Quote bei der Anerkennung humanitärer Härtefallkommissionsfälle, eine Verbesserung der Besoldung von Polizei und Feuerwehr, die Gründung eines gemeinsamen Bewertungszentrums gegen rechtsextreme Bestrebungen oder auch ein modernes Versammlungsfreiheitsgesetz. Letzteres haben die mitregierenden Grünen und Linken der SPD abgerungen.

Ein Law & Order-Mann

Akmann gehört zu der Sorte Menschen, die sich nicht in den Vordergrund drängen. Er ist kein Linker, er ist durch und durch ein Law & Order-Mann.

Das Statement der Gewerkschaft der Polizei (GdP) anlässlich seines Abgangs las sich denn auch fast wie eine Traueranzeige. „Er hinterlässt eine große Lücke“, heißt es. Auch Akmanns Verdienste bei der Aushandlung eines „angemessenen Kompromisses in der Schießstandproblematik“, hob die GdP hervor. Man hoffe für die innere Sicherheit Berlins, dass die Innensenatorin zeitnah geeigneten Ersatz finde „und nicht persönliche Empfindlichkeiten über die Besetzung derartiger Posten entscheiden“.

Iris Spranger, eigentlich Wohnungspolitikerin, ist seit Ende 2021 Innensenatorin. Zu dem Posten gelangte die 60-Jährige aus parteilichen Proporzerwägungen. Weder mit Innenpolitik noch mit Digitalisierung hatte Spranger zuvor zu tun. Das wäre möglicherweise kein Problem, ließe sie die Experten in ihrem Haus ihre Arbeit machen und regiere ihnen nicht – bar von Fachkenntnis – bei allem hinein.

Erratischer Führungsstil der Innensenatorin

Wie sich das für Untergebene anfühlen muss, lässt sich bei Auftritten von Spranger im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses beobachten: erratischer Führungsstil, inhaltsleere mit großem Pathos vorgetragene Reden, die sich immer mehr verzweigen und schließlich im Nirwana enden. Schon für Außenstehende ist das kaum zu ertragen, wie muss das für einen wie Akmann gewesen sein?

Von einem „enormen Arbeitsdruck bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit“ für die Mitarbeiter der Innenverwaltung und den nachgeordneten Behörden hat Akmann in seinem internen Abschiedsbrief gesprochen. Von Öffentlichkeit und Politik werde das „viel zu selten gewürdigt“. Da sprach einer auch für sich. Ein Spaziergänger im Ruhestand, wie eine Zeitung getitelt habe, werde er aber „ganz sicher nicht sein“. Die BZ hatte sich gesorgt, dass mit Akmann nun ein weiterer Politrentner dem Steuerzahler mit einem Vorruhegehalt von 7.750 Euro brutto auf der Tasche liegt.

Dass einem Experten wie ihm viele Türen offen stehen, verwundert nicht. Die Frage ist eher die: Füllen jetzt wieder Leute vom Schlage Bernd Krömer die Lücke? Passen würde es. Egal wer in Berlin künftig regiert.

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Redakteurin taz.Berlin
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