Dramatische Lage beim Rettungsdienst: Der Senat übt jetzt Druck aus

Der Rettungsdienst der Feuerwehr befindet sich schon länger im Daueraus­nahmezustand. Die Senatsverwaltung für Inneres will nun durchgreifen.

ettungssanitäter Felix Schapke bereitet eine Vakuummatratze zum Transport einer verletzten Frau vor

Ein Rettungssanitäter bereitet eine Vakuummatratze zum Transport einer verletzten Frau vor Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa/picture alliance

BERLIN taz | Es brennt bei der Feuerwehr und das nicht erst seit gestern: zu wenig Notfallsanitäter, zu wenig funktionierende Rettungswagen, die vorhandene Belegschaft vollkommen überlastet. Nun greift die Senatsverwaltung für Inneres durch. Am Mittwoch teilte Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) mit, er habe eine Steuerungsgruppe eingesetzt, die binnen von drei Monaten Lösungsvorschläge erarbeiten soll. „Die hohe Einsatzanforderung im Rettungsdienst muss gesenkt werden“, so Akmann.

Der Rettungsdienst der Feuerwehr befindet sich schon länger in einer Art Dauerausnahmezustand. Der tritt ein, wenn die vorhandenen Rettungswagen zu mehr als 80 Prozent ausgelastet sind und die vorgegebenen zehn Minuten vom Anruf bis zum Eintreffen beim Patienten nicht einzuhalten sind. Laut Tagesspiegel befand sich der Rettungsdienst 2021 insgesamt 178 Mal im Ausnahmezustand, in diesem Jahr sei diese Marke bereits zur Jahresmitte erreicht gewesen.

Bereits eine von der Feuerwehrführung eingesetzte Taskforce hatte sich seit September 2021 mit der angespannten Lage beschäftigt und Vorschläge erarbeitet, die aber nicht den Erwartungen entsprachen. „Ich stelle fest, dass die Taskforce in der Umsetzung ihren Job nicht richtig gemacht hat,“ sagte Akmann. Die Steuerungsgruppe, die aus zwei leitenden Mitarbeitern der Innenverwaltung und zwei Feuerwehrleuten besteht, werde noch einmal „jeden Stein umdrehen“.

Die Dramatik der Lage sei ihm letzte Woche bei einer Personalratsversammlung noch einmal deutlich vor Augen geführt worden, sagte Akmann. Mit Personalmangel hätten viele Feuerwehren in Deutschland zu kämpfen, Berlin sei kein Einzelfall. Es seien auch bereits 800 neue Stellen geschaffen und eine Azubi-Offensive gestartet worden, „aber das ist kein Problem, das angesichts des Fachkräftemangels von heute auf morgen lösbar ist.“

„Da müssen wir ran“

Änderungsbedarf gebe es vor allem, was den Transport von sogenannten Bagatellfällen betreffe. „Das ist eine große Drehschraube.“ Soll heißen: Es müssen Möglichkeiten gefunden werden, Bagatellfälle von wirklich ernsten Fällen zu trennen, wenn der Anruf unter 112 eingeht. An die Protokolle, die bei diesen Anrufen angefertigt werden, so Akmann, „müssen wir ran“.

In den Gesprächen mit den Gewerkschaften und dem Personalrat sei auch die hohe Ausfallquote der Rettungswagen zur Sprache gekommen. Die Reparaturen aber auch die Säuberungen nach den Krankentransporten dauerten zu lange. Vor allem aber fehlten Notfallsanitäter. Mit einer Änderung des Rettungsdienstgesetzes könnte erreicht werden, dass Rettungssanitäter und nicht mehr, wie bisher vorgeschrieben, Notfallsanitäter die Notärzte fahren. Die Notfallsanitäter würden für die Rettungswagen gebraucht.

Auch mit der Gesundheitsverwaltung seien Fragen zu klären, so Akmann. Bei einer Verlegung zwischen zwei Krankenhäusern werde derzeit auch bei ganz normalen Kranken auf den Rettungsdienst der Feuerwehr zurückgegriffen. „Zu oft“ würden sich auch Krankenhäuser „abmelden“, so dass der Rettungswagen nicht das nächstgelegene, sondern ein weiter entferntes Krankenhaus ansteuern müsse. Auch das koste Zeit. Eine kurzfristige Entlastung könne auch dadurch erfolgen, private Anbieter in die Krankentransporte einzubinden.

Die Einsetzung der Steuerungsgruppe könnte man als Entmachtung der Feuerwehr interpretieren. Auf Nachfrage sagte der Staatssekretär, Landesbranddirektor Karsten Homrighausen habe das uneingeschränkte Vertrauen von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und ihm. Auch für die Haltung des ärztlichen Leiters, Stefan Poloczek, habe man volles Verständnis. Poloczek ist derjenige, der die Vorgaben macht, die dazu führen, dass Bagatellfälle zu wenig von ernsten Fällen unterschieden werden. Als Arzt müsse es natürlich in Poloczeks Interesse sein, auf den individuellen Patienten zu gucken, so Akmann. „Aus unserer Sicht muss aber das Gemeinwohl stärker als bisher im Vordergrund stehen.“

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