Entführung eines Vietnamesen in Berlin: Verdächtigter kommt wohl vor Gericht
Die Ermittlungen rund um den Fall des Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh aus Vietnam sind in vollem Gange. Die Anklage eines Fahrers steht bevor.
Bei dem Mann, der sehr wahrscheinlich in den nächsten Tagen mit einer Anklage rechnen muss, handelt es sich um Hai Long N. Der Vietnamese hatte vor seiner Festnahme in der tschechischen Hauptstadt Prag gelebt und dort eine Geldtransferfirma betrieben. Auf seine Spur kamen die Ermittler, weil er in Prag das Tatfahrzeug gemietet hatte, aus dem heraus Trinh Xuan Thanh im Berliner Tiergarten gekidnappt und in die vietnamesische Botschaft in Berlin verschleppt wurde.
Als der Autoverleiher im Oktober sein Fahrzeug im Berliner Landeskriminalamt wieder abholen konnte, waren darin große Mengen Blut des Entführungsopfers und zwei Flaschen Betäubungsspray, die die Entführer zurückgelassen hatten. Die Ermittler hatten auch genetisches Material weiterer an der Entführung Beteiligter sicherstellen können.
Sehr wahrscheinlich saß Hai Long N. während der Entführung am Steuer. Rund einen Monat zuvor hatte er dasselbe Fahrzeug bereits ein erstes Mal geliehen und war damit laut GPS 2.000 Kilometer quer durch Europa gefahren. Das sagte der Autoverleiher in Prag der taz. Die Ermittler gehen davon aus, dass bei dieser Tour die Entführung logistisch vorbereitet wurde.
Festnahme in Prag
Hai Long N. wurde aufgrund des deutschen Haftbefehls am 12. August 2017 in Prag festgenommen und elf Tage später nach Berlin ausgeliefert. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Laut Strafprozessordnung sollte spätestens sechs Monate nach Beginn der Untersuchungshaft, also am kommenden Freitag, die Anklage erfolgen. Falls das nicht möglich ist, muss nach Ablauf von sechs Monaten ein Gericht entscheiden, ob der Untersuchungsgefangene weiter in Haft bleibt oder freigelassen wird.
Gegen Hai Long N. wird wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Teilnahme an einem Menschenraub ermittelt, so die Bundesanwaltschaft. Laut der taz vorliegenden Informationen gehen die Ermittler davon aus, dass der Mann nur ein kleines Rädchen bei der Entführung war. Das Verfahren gegen ihn wurde vom Hauptverfahren gegen vietnamesische Geheimdienstoffiziere abgetrennt.
Beteiligt waren auch mehrere vietnamesische Diplomaten aus Berlin. Zwei von ihnen mussten Deutschland verlassen. Wegen ihrer diplomatischen Immunität konnten sie nicht festgenommen werden. Die Ermittlungen im Hauptverfahren sind noch nicht abgeschlossen.
Ermittlungen in Diplomatenkreisen
Die Polizei lädt derzeit Vietnamesen aus verschiedenen deutschen Städten vor, die letzten Sommer im telefonischen und persönlichen Kontakt zu besagten Diplomaten standen und fragt sie zu Beobachtungen, die sie im Umfeld der Botschaft gemacht hätten. Das sagte ein Betroffener der taz.
Nach Informationen der taz haben die Ermittler auch in Berlin wohnende Vietnamesen vernommen, die Kenntnis von weiteren Mittätern haben wollen, die ohne Diplomatenstatus in Deutschland leben. Einer dieser Zeugen hat sich nach eigenen Angaben freiwillig zu Zeugenaussagen gemeldet. Zu einer weiteren Festnahme haben diese Ermittlungen bislang aber nicht geführt. Frauke Köhler von der Bundesanwaltschaft: „Wäre es in diesem Kontext zu einer weiteren Festnahme gekommen, hätten wir eine Pressemitteilung geschrieben. Daraus können Sie schließen, dass das nicht der Fall war.“
Der entführte Trinh Xuan Thanh wurde Anfang 2018 in Hanoi wegen Korruption und Misswirtschaft zweimal zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Entführung hat er vor Gericht aus politischen Gründen nicht angesprochen.
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