Entführte Schülerinnen in Nigeria: Regierung will Dialog mit Boko Haram
Die nigerianische Regierung ist zu Gesprächen mit den Entführern bereit. Derweil haben Eltern auf einem Video 77 Mädchen identifiziert.
ABUJA/BAUCHI ap/afp/dpa | Im Fall der in Nigeria verschleppten Schülerinnen ist die Regierung in Abuja zu Gesprächen mit der Islamistengruppe Boko Haram bereit. „Nigeria war immer zum Dialog mit den Aufständischen bereit“, erklärte der Minister für besondere Angelegenheiten, Taminu Turaki, am Dienstag. Turaki leitete im vergangenen Jahr eine Kommission mit dem Auftrag, mit Boko Haram über ein Amnestie-Programm zu beraten. Die Regierung sei bereit, „über alle Probleme zu sprechen“ – und dazu gehöre die Entführung der Mädchen.
Die Eltern der vor einem Monat entführten Schülerinnen haben derweil in einem Video der Terrorgruppe 77 der Mädchen identifiziert. Der Gouverneur des Bundesstaates Borno, Kashim Shettima, hatte zuvor eine Vervielfältigung des Filmmaterials angeordnet, damit sich alle betroffenen Mütter und Väter das Video anschauen können. Dieser Prozess sei noch nicht abgeschlossen, berichtete die Zeitung Vanguard am Mittwoch.
Insgesamt sind in dem am Dienstag veröffentlichten Video 136 Jugendliche zu sehen, die typisch muslimische Gewänder tragen und Verse aus dem Koran rezitieren. Boko-Haram-Chef Abubakar Shekau hatte erklärt, viele der überwiegend christlichen Geiseln seien zum Islam konvertiert.
Derweil nehmen Dorfbewohner im Nordosten des Landes den Kampf gegen Boko Haram zunehmend in die eigene Hand. Eine Bürgerwehr aus dem Ort Kalabalge hat zwei Fahrzeuge der Extremisten angegriffen und dabei Dutzende von ihnen getötet oder festgenommen, berichten Sicherheitskräfte. Dadurch sei es jetzt unmöglich für Boko Haram dort noch Angriffe zu verüben, sagte Ajid Musa, ein Händler aus Kalabalge.
Der Angriff ereignete sich bereits am Dienstagmorgen, nachdem die Bürgerwehr von Kalabalge im Staat Borno von einem bevorstehenden Angriff der Boko-Haram-Kämpfer erfahren hatte. In Borno geht das Militär seit Monaten mit einer großangelegten Offensive gegen Boko Haram vor. Dort und in zwei anderen Staaten wurde der Ausnahmezustand verhängt.
Austausch gegen inhaftierte Sektenmitglieder
Boko-Haram-Kämpfer hatten Mitte April eine Schule in der Stadt Chibok im nordöstlichen Staat Borno überfallen und 276 überwiegend christliche Schülerinnen verschleppt. Einige konnten fliehen, doch werden noch immer 223 Schülerinnen vermisst. Vor einer Woche entführte die Gruppe, die für einen islamistischen Staat im Norden Nigerias kämpft, elf weitere Mädchen. Boko Haram will die Geiseln nur im Austausch gegen inhaftierte Sektenmitglieder freilassen.
Die USA wollen mit Aufklärungsflügen die Suche nach den Entführten voranbringen. Der Kommandeur des US-Afrikakommandos, General David Rodriguez, traf am Dienstag in Abuja ein, um mit der nigerianischen Regierung über US-Unterstützung zu sprechen. Dabei geht es nach Angaben von Regierungsvertretern in Washington auch darum, eine Vereinbarung über den Austausch von US-Geheimdiensterkenntnissen mit Nigeria zu erzielen. Washington legt dabei großen Wert auf hohe Sicherheitsstandards, damit das hoch sensible Material nicht in die Hände potenzieller Gegner geraten kann.
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