Energiewende schlecht für Naturschutz: Öko bedroht Bio
Umweltschützer schlagen Alarm, weil die geplante Energiewende den Naturschutz und die Artenvielfalt bedrohe. Dadurch werde der Raubbau im Wald vorangetrieben.
BERLIN taz | Die geplante Energiewende in Deutschland bedroht nach Meinung von Umweltschützern und kritischen Bauern den Naturschutz und die Artenvielfalt auf dem Land. Vor allem der Wald werde nur noch als Rohstofflieferant betrachtet, heißt es im "Kritischen Agrarbericht", der der taz vorliegt. Europaweit drohe ein neues Umweltdesaster.
Der "Kritische Agrarbericht" wird jährlich vom "AgrarBündnis" herausgegeben, das kritische Bauern, Umweltverbände und Entwicklungsgruppen vereint. Publiziert wird er im Vorfeld der Grünen Woche, die am Freitag in Berlin beginnt.
Im ersten Jahr der schwarz-gelben Energiewende geht es kritisch um die Nutzung von Biomasse. Diese ist klimapolitisch erwünscht, weil sie anders als Kohle, Öl, Gas kein zusätzliches Treibhausgas produziert. Allerdings, so der Bericht, "kann es nicht der richtige Weg sein, unsere Wälder regelrecht auszufegen, um dann in Kraftwerken Strom herzustellen".
Öko nicht immer Bio
Insgesamt mahnen die Autoren, Öko sei nicht immer Bio: Flächenverbrauch und Entwertung von Naturbereichen sorgten dafür, dass "Freiland-Solarparks für den Naturschutz nicht konfliktfrei" seien. Der massenhafte Maisanbau zum Einsatz in Biogasanlagen belaste die Umwelt - vor allem, da es in der neuen Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes für besonders große Betriebe Ausnahmen bei den Obergrenzen gebe.
"Der Verlust von über 230.000 Hektar Grünland seit 2003 ist größtenteils dem Biomasseboom geschuldet", schreibt Heidrun Heidecke, Naturschutzexpertin des BUND. Sie moniert auch die Pläne für bis zu 200 Meter hohe Windräder in Wäldern und die Diskussion um neue Stromtrassen. Es gebe eine "dramatisch verschärfte innerlandwirtschaftliche Konkurrenz von Flächen für Nahrungsmittelproduktion, Veredelungswirtschaft, nachwachsende Rohstoffe und Energiepflanzenanbau".
Alleskönner Wald
Vor allem aber warnt der "Kritische Agrarbericht" vor einem Raubbau am deutschen Wald. Der ist zwar zwischen 1992 und 2008 nach Zahlen des Statistischen Bundesamts jährlich um die Größe von Karlsruhe gewachsen. Doch damit ist jetzt Schluss: Weil die Nachfrage "rasant gestiegen ist und weiter zunimmt", stehe der Wald zunehmend unter Druck, schreiben die Verfasser des Berichts. Holz werde immer häufiger zum Heizen sowie zur Stromerzeugung benötigt, als Baustoff nachgefragt und auch die Ansprüche der Erholungssuchenden stiegen.
Zugleich setze der Klimawandel dem Wald zu. Und Deutschland "verbraucht so viel Papier wie die Kontinente Südamerika und Afrika zusammen". Die Waldstrategie der Bundesregierung, die vorsieht, jährlich künftig 100 Millionen Kubikmeter Holz zu ernten, stuft aus Sicht des Agarbündnisses den "Wald zum Rohstofflieferanten herab" und missachte "alle Grundsätze der Nachhaltigkeit" - übrigens ein Begriff aus der Forstwirtschaft.
Es geht nicht um Peanuts
Mit ihrer Warnung vor Naturschäden durch erneuerbare Energien sind die Kritiker nicht allein. Auch das Bundesamt für Naturschutz hat davor gewarnt, nur auf die "kurzfristig vorteilhaften höheren Biomasseerträge" zu schauen. BfN-Präsidentin Beate Jessel schreibt in einem Positionspapier, enge Fruchtfolge, Monokulturen und starker Einsatz von Dünger und Pestiziden gingen "vielfach mit dem Verlust an biologischer Vielfalt einher".
Es geht nicht um Peanuts. Bereits heute entfallen etwa zwei Drittel der Energie, die in Deutschland aus Erneuerbaren gewonnen wird, nach BfN-Angaben auf die Nutzung von Biomasse. Und der Plan der Bundesregierung zur Energiewende sieht trotz des Ausbaus von Windkraft und Solarenergie Biomasse 2050 immer noch als größten Lieferanten sauberer Energie. Schon bis 2020 soll sich die Stromerzeugung aus Biomasse gegenüber 2008 verdoppeln, die Wärmeenergie verdreifachen.
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