Energieverträge: Vattenfall kann Netze verticken
Vattenfall könnte die Hamburger Netze weiterverkaufen – an wen auch immer. Der Senat hat kein Mitspracherecht vereinbart, kritisiert ein Energierechtler.
HAMBURG taz | Die Hamburger Energienetze können weiterverkauft werden, ohne dass die Stadt eine Handhabe dagegen hätte. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine schriftliche Anfrage des grünen Fraktionsvorsitzenden Jens Kerstan hervor. Danach bekäme Hamburg, wenn der schwedische Vattenfall-Konzern seine Deutschland-Tochter verkaufte, einen neuen Partner für den Betrieb der Strom- und Fernwärmenetze. Somit könne nicht verhindert werden, „dass Unternehmen in die Verträge einsteigen, die niemand hier haben will“, warnt Kerstan.
Nach Auskunft des Senats kann Vattenfall Deutschland bis Ende 2017 seine Anteile an den Netzgesellschaften nur mit Zustimmung Hamburgs verkaufen, danach besitzt die Stadt ein Vorkaufsrecht. Beides bezieht sich aber nur auf die Betreibergesellschaften, in denen Hamburg und Vattenfall Partner sind. Ein Verkauf von Vattenfall Deutschland selbst durch die Konzernmutter in Stockholm ist davon unberührt.
Der Einstieg einer international agierenden Heuschrecke, eines arabischen Scheichtums, eines chinesischen Konzerns oder der russischen Gazprom wäre dann möglich – mit unabsehbaren Folgen für die Hamburger VerbraucherInnen und die Energiewende.
In den Verträgen zwischen Hamburg und Vattenfall geht es um die Versorgungsnetze für Strom und Fernwärme.
Stromnetz: Es ist rund 27.000 Kilometer lang. Angeschlossen sind 1,12 Millionen Zähler.
Fernwärmenetz: Es ist rund 800 Kilometer lang und versorgt rund 450.000 Wohneinheiten mit Heizung und Warmwasser.
Betreibergesellschaften: In beiden Fällen zu 74,9 Prozent Vattenfall, zu 25,1 Prozent Hamburg.
Konzession: Für das Betreiben eines Energienetzes auf öffentlichem Grund ist eine Konzession erforderlich, die in der Regel für 20 Jahre vergeben wird. In Hamburg läuft die Konzession für das Stromnetz Ende nächsten Jahres aus. Für das Fernwärmenetz kann sie 2014 gekündigt werden, sonst bleibt sie bei Vattenfall.
Diese Einschätzung bestätigt der renommierte Marburger Energierechtler Peter Becker. „Hamburg kann einen neuen Partner nicht verhindern“, so seine Einschätzung. In den Verträgen fehle eine sogenannte „Change-of-Control-Klausel“, die Hamburg eine Einflussnahme ermöglichen würde. „Das hätte geregelt werden müssen“, sagt Becker, das sei „eine übliche Klausel“. Dass sie hier fehle, sei nachteilig für die Stadt.
Vattenfall bleibe „auf absehbare Zeit“ in Kontinentaleuropa präsent, hatte Deutschland-Chef Tuomu Hatakka kürzlich versichert – „ein lauwarmes Bekenntnis“, so das Manager Magazin. Die Energiewende mache dem Unternehmen jedoch das Leben schwer, so Hatakka: „Wir alle haben das unterschätzt.“ Die „existenzielle Krise“ wolle der Konzern mit „Konsolidierung“ überstehen: Kosten runter, Abbau von 1.500 Arbeitsplätzen in Deutschland, weniger Investitionen und Verkauf von „Randbereichen“. Sobald ein Interessent genügend Geld auf den Tisch lege, könnten „die Schweden zügig den Rückzug antreten“, mutmaßt das Manager Magazin: „Der Kampf um die Netze ist womöglich die letzte Schlacht der Schweden in Deutschland.“
Kerstan vermutet, Vattenfall wolle seine Deutschland-Tochter wertvoller machen, um mehr Geld für sie erlösen zu können. Eine erneuerte Konzession für das Stromnetz und „eine für immer privatisierte Fernwärme würden den Wert von Vattenfall Deutschland enorm steigern“, so der Grüne. Sollte der Volksentscheid über die Energienetze am Sonntag nicht erfolgreich sein, „behält Vattenfall das lukrative Geschäft – bis zu einem Verkauf an andere“, so der grüne Fraktionschef.
Bei einem Verkauf an Wladimir Putins Staatskonzern Gazprom zumindest träfe Bürgermeister Olaf Scholz auf alte SPD-Bekannte: Dort streichen Ex-Kanzler Gerhard Schröder, dessen Generalsekretär Scholz von 2002 bis 2004 war, und Hamburgs Alt-Bürgermeister Henning Voscherau lukrative Nebenverdienste ein.
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