Energiesparen im Fußball: Anstoß für den Klimaschutz

Der SV Babelsberg 03 fordert in der Klima- und Energiekrise das Aus von Rasenheizungen. Doch dem Profifußball ist die Vermarktung der Spiele wichtiger.

Lichtstrahler für den Rasen in der Münchner Allianz Arena.

Der perfekte Rasen verschlingt viel Energie: Lichtstrahler für Rasenwachstum im Stadion in München Foto: Marc Müller/dpa

BERLIN taz | Energie sparen ist derzeit oberstes Gebot. Privathaushalte sind aufgerufen, ihre Raumtemperatur zu senken und kürzer zu duschen. Im Kreuzberger Prinzenbad wird das Wasser wegen der Energiekrise seit Wochen nicht mehr geheizt, weshalb sich Hartgesottene mit Neoprenanzug ins 16 Grad kalte Wasser stürzen. Andere Schwimmbäder wie das Potsdamer Kiezbad am Stern werden gleich ganz geschlossen.

Nur im Fußball bleibt bislang alles beim Alten: Flutlichter werden auch bei strahlendem Sonnenschein angeschaltet, die Rasenheizung läuft auf Hochtouren, Spielfelder werden künstlich bestrahlt, damit das Gras grün bleibt.

Damit sich das ändert und auch der Fußball seinen Beitrag zum Klimaschutz und zum Energiesparen leistet, hat der Potsdamer Regionalligist SV Babelsberg 03 die Deutsche Fußball Liga (DFL) und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) dazu aufgefordert, Rasenheizungen umgehend abzuschalten.

„Der Betrieb von Rasenheizungen ist eine Verschwendung von Ressourcen, die wir uns nicht mehr leisten können“, sagt Katharina Dahme, Vorstandsvorsitzende des SV Babelsberg. „Von allen Menschen wird Verzicht eingefordert, aber im Profifußball soll alles einfach so weiter­gehen, das ist nicht vermittelbar“, so Dahme zur taz.

Rasenheizung ist Pflicht
Katharina Dahme, SV Babelsberg

„Der Betrieb von Rasenheizungen ist eine Verschwendung von Ressourcen, die wir uns nicht mehr leisten können“

Laut Babelsberg verbraucht eine Rasenheizung im Schnitt 4.000 Kilowattstunden pro Tag. Bei großen Stadien ergebe das bei 120 bis 140 Nutzungstagen pro Jahr einen Verbrauch von rund 500.000 kWh. Das entspreche dem jährlichen Durchschnittsverbrauch von 200 Zwei-Personen-Haushalten – pro Stadion.

Dabei sind Rasenheizungen laut Dahme „komplett überflüssig“. Dennoch ist die Installation Pflicht für den Aufstieg in die Dritte Liga. Für den Viertligisten, den der Einbau einer Rasenheizung rund 400.000 Euro kosten würde, ist das „ökologischer Wahnsinn, der völlig aus der Zeit gefallen ist“.

Der DFB verweist auf taz-Nachfrage auf die Abhängigkeit des Profisports von TV-Geldern, deren Wert sich unter anderem an verlässlichen Spielterminen bemesse. Eine Rasenheizung sei also nötig, „um witterungsbedingte Spielausfälle so weit wie möglich zu minimieren“. Zudem habe „jeder kurzfristige Ausfall eines Spiels aufgrund einer nicht vorhandenen Rasenheizung negative Effekte“. Spielvorbereitungen wie Aufbauten und Anreisen müssten erneut vorgenommen werden.

Für den SV Babelsberg zählt das nicht. „Wenn wir jetzt nicht anfangen, beim Klimawandel entschiedener entgegenzusteuern, wird es zu spät sein. Da haben Interessen wie etwa die Vermarktung der Spiele durch gesicherte Anstoßzeiten hintenanzustehen“, heißt es in einer Petition an den Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Grüne), die bislang fast 40.000 Menschen unterschrieben haben.

Bundesliga soll 15 bis 20 Prozent Energie sparen

Im Hause Habeck sieht man den Vorstoß des SV Babelsberg durchaus positiv. „Die Energiesparmaßnahmen sind angesichts der angespannten Lage auf den Energiemärkten notwendig und leisten einen weiteren Beitrag zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit“, so eine Sprecherin auf taz-Nachfrage. Energiepolitische Vorgaben an den DFB gibt es bislang allerdings nicht. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte unlängst von der Bundesregierung Finanzhilfen für Vereine in der Energiekrise gefordert.

Vor rund zwei Wochen hatte der DFB immerhin eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet. Auch die DFL hatte Ende Mai erstmals Kriterien beschlossen, die alle Vereine zu mehr Nachhaltigkeit verpflichten sollen. Konkrete Maßnahmen sucht man darin allerdings vergeblich. Das Fan-Bündnis „Zukunft Profifußball“ bezeichnete diese gar als „ambitionslosen Krite­rien­katalog, mit dem der Profifußball seiner Verantwortung nicht gerecht wird“.

Die DFL fordert die Bundesligavereine dazu auf, 15 bis 20 Prozent Energie zu sparen. Wie die Vereine das machen, bleibt ihnen allerdings selbst überlassen. Bei einem ersten Vernetzungstreffen vor wenigen Wochen soll es auch um den Einsatz von Flutlicht und Rasenheizungen gegangen sein.

Letztere dienen laut DFL neben dem Schutz des Rasens auch der Verletzungsprävention der Spieler, weil die Rasenheizung auch vor einem frostharten Boden schützt. Das gilt allerdings nicht für Frauen: Für die gibt es weder in der Ersten Liga noch in der Champions League eine Verpflichtung, Rasenheizungen zu installieren.

Umstellung des Spielkalenders im Gespräch

Beim Erstligisten Union Berlin hält man das Einsparziel der DFL jedenfalls für unrealistisch. So habe Union etwa die Einsatzzeiten der Rasenheizung und des Flutlichts überprüft. „Es ist festgestellt worden, dass wir relativ wenig Energie einsparen können, weil wir schon sehr sparsam waren“, so Präsident Dirk Zingler.

Dass im Profifußball Spiele mittlerweile eine Minute später angepfiffen werden, um ein Zeichen für den Klimaschutz zu senden, und in Durchsagen dafür geworben wird, mit dem Rad zum Stadion zu fahren, empfinden viele Fans angesichts der Vielfliegerei der Spieler und fragwürdigen Sponsoren als Greenwashing. Solange der DFB eine WM in Katar durchführt, bei der Spieler und Fans für jedes Spiel aus dem benachbarten Dubai eingeflogen werden müssen, werden Buhrufe während der Klima-Schweigeminute im Stadion wohl nicht ausbleiben.

Eine noch radikalere Forderung, um Öl und Gas für Flutlicht, Rasenheizung oder beheizte Innenräume zu sparen, ist die Umstellung des Spielkalenders auf März bis Dezember, wie sie unlängst der ehemalige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig ins Spiel gebracht hat. Während der DFB auf Schwierigkeiten wegen internationaler Wettbewerbe verweist, zeigt man sich beim SV Babelsberg aufgeschlossen: „Wir stehen allen Energiesparmaßnahmen offen gegenüber, Hauptsache, sie kommen schnell“, sagt Dahme.

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