Energiepolitik: SPD kuscht vor der CDU
Das Abgeordnetenhaus empfiehlt, beim Energie-Volksentscheid mit Nein zu stimmen. Der SPD-Landesvorstand forderte das Gegenteil.
Sie versuchten, nur nicht zu siegestrunken daherzukommen und den Fehler der Grünen zu machen, die in Zeiten von Höhenflügen vor Kraft kaum laufen können. Und doch strahlten die CDUler am Donnerstag im Abgeordnetenhaus vor lauter Genugtuung, sich in Sachen Energie-Volksbegehren gegen die SPD durchgesetzt zu haben. Denn in dem, was die Koalition dem Parlament auf den letzten Drücker vorlegte, war nichts von jener Unterstützung, die der SPD-Landesvorstand beschlossen hatte. Stattdessen empfiehlt das Abgeordnetenhaus nun ganz offiziell – gegen den Willen von Grünen, Linken und Piraten – beim Volksentscheid am 3. November nicht zuzustimmen.
Eine Stunde hatten die 47 SPD-Abgeordneten direkt vor der Plenarsitzung zusammengesessen und diskutiert, wie sie mit der ablehnenden Haltung der Christdemokraten umgehen sollten, die sich schon Mitte der Woche einstimmig auf ein „Nein“ festgelegt hatten. Am Ende konnte Fraktionschef Raed Saleh seine Leute zumindest in der großen Mehrheit hinter die Ablehnung bringen – bis auf drei Gegenstimmen.
Einer mochte ausdrücklich nicht unter dem Papier auftauchen, wo er als fachpolitischer Sprecher der Fraktion eigentlich hätten stehen müssen: Daniel Buchholz, zugleich Chef der Arbeitsgemeinschaft Daseinsvorsorge. Er hatte sich dafür starkgemacht, das Volksbegehren im Parlament mit einigen Änderungen anzunehmen.
Der Volksentscheid könne zur Vergabe des Stromnetzes „keinen Beitrag leisten“, steht brüsk in dem Text, den nun die 2,4 Millionen Wahlberechtigten mit ihren Benachrichtigungen zur Abstimmung bekommen werden. Zum geforderten Stadtwerk heißt es sinngemäß, darum kümmere sich die Koalition bereits, ein weiteres sei „überflüssig“. Fraktionschef Saleh schickte seine Sprecherin vor, um zu sagen, man habe einen Kompromiss formuliert, der gemeinsame Kritikpunkte enthalte.
CDU-Fraktionschef Florian Graf nannte das „Nein“ der Koalition ein „wichtiges und kraftvolles Signal“. Offenbar nicht zuletzt an die eigenen Anhänger: Oft genug hatten sich die CDU-Abgeordneten bei ihrer Basis anhören müssen, sie könnten sich nicht gegen die SPD durchsetzen – wie bei der vergeblichen Forderung nach Lehrerverbeamtung – oder gebe CDU-Positionen auf.
Für die Opposition war das eine Steilvorlage. Mit Genuss erinnerte der frühere Wirtschaftssenator Harald Wolf, heute Energieexperte der Linksfraktion, daran, wie stark die SPD auf einem Parteitag und im Landesvorstand das Volksbegehren unterstützte. „Die SPD wird von ihrem Koalitionspartner hinter die Fichte geführt“, sagte Wolf und griff eine Formulierung ihres eigenen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück auf.
Grüne, Linke und Piraten hatten gemeinsam gefordert, für den Volksentscheid ein klares „Ja“ zu empfehlen. Das Stromnetz gehöre in die Hand der Bürger, und ein kommunales Stadtwerk stehe für sichere und bezahlbare Energieversorgung. Denn: „Die großen marktbeherrschenden Unternehmen wie Vattenfall geben gesunkene Preise nicht an die Verbraucher weiter.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung