Endspurt Deutsche Meisterschaft: Schwarz-gelbes Stillleben
Am 15. Mai wird auf der B1 die siebte Deutsche Meisterschaft des BVB gefeiert. Oder etwa doch nicht? Je geringer der Vorsprung wird, desto sicherer sind sie sich.
Bei den meisten Aktionen und Veranstaltungen fiel es den Kulturbanausen leicht, sie geflissentlich zu ignorieren. Als das Ruhrgebiet sich im vergangenen Jahr zur europäischen Kulturhauptstadt herausputzte, gab es aber auch Momente, in denen dieser Gruppe nur die Flucht ins Münster- oder Sauerland blieb, um von dem bunten Treiben nichts mitzubekommen.
Bei der Aktion Schachtzeichen zeigten weithin sichtbar gelbe Ballons die Standorte von Zechen an, die längst geschlossen sind. Beim Still-Leben spazierten mehrere Millionen Menschen über die A 40, setzten sich an die Tische, aßen, tranken und klönten. Es gibt Überlegungen, beide Aktionen zu wiederholen, auch wenn sich andere Städte oder Regionen dann als Kulturhauptstadt bezeichnen.
Eine Mischform steht dem Ruhrgebiet am 15. Mai ins Haus. Zu den gelben Ballons werden sich schwarze gesellen, in der gleichen Farbkombination werden Hunderttausende Trikots und Fahnen zu sehen sein, wenn sie über die A 40 ziehen, die im Dortmunder Stadtgebiet größtenteils als Bundesstraße 1 verläuft. Die Meisterfeier auf dem täglich kollabierenden Ruhrschleichweg ist geplant und genehmigt, die Mieter der anliegenden Büros haben fürchterlich viele Anfragen von fürchterlich vielen Freunden, ob sie nicht an jenem Sonntag mal vorbeikommen können.
Direkt an der B 1, nur ein paar Hundert Meter Luftlinie entfernt vom Dortmunder Stadion, steht die Geschäftsstelle des Ballspielvereins Borussia 09. Jener Verein wird am 15. Mai offiziell seine siebte Deutsche Meisterschaft feiern. Oder doch nicht? Sieben Punkte Vorsprung weisen die Dortmunder in der Tabelle der Fußball-Bundesliga auf. Das ist sieben Spieltage vor dem Saisonende ein dickes Polster.
Geht da jetzt jemandem die Düse?
Andererseits waren es auf den Tabellenzweiten auch schon einmal zwölf Punkte. Und heute kommt auch noch der Tabellendritte, Hannover 96, nach Dortmund. Und der BVB hat ja auch nur einen Punkt aus den vergangenen beiden Spielen geholt. Und in der Nationalmannschaft haben ein paar BVB-Profis so gehemmt gespielt, als wären sie mit der Gladbacher Borussia im Abstiegskampf. Geht da jetzt jemandem die Düse?
"Es gibt schlimmere Krisen", sagte der Dortmunder Trainer Jürgen Klopp feinsinnig. Und Torwart Roman Weidenfeller beruhigte die schwarz-gelben Anhänger via Ruhr Nachrichten: "Ich glaube, dass sich die Leute, die über ein angebliches Dortmunder Tief schreiben oder schreiben müssen, im Moment selbst nicht wohl dabei fühlen. Das ist doch alles übertrieben."
Nervenflattern? Sorgen? Gar Angst?
Nervenflattern? Sorgen? Gar Angst? Sollten die Dortmunder davon befallen sein, dann überspielen sie es mit einer Leichtigkeit, mit der sie bei den Bayern 3:1 gewonnen haben. Nach jenem Sieg hatten sie auch öffentlich Farbe bekannt und die Meisterschaft als Ziel ausgegeben. Die Frage an Bierständen und in Expertenrunden (die Übergänge sind dabei häufig fließend) war, wann der Titel sichergestellt ist. Nun, da sich Deutschland wieder für das Ob interessiert, rudern die Dortmunder keinen Millimeter zurück. Das Geplänkel außerhalb des Platzes meistern sie glänzend, der Beweis der inneren Ruhe soll gegen Hannover 96 folgen.
Die B 1 wird wie üblich zwischen 13 und 15 Uhr hoffnungslos verstopft sein. Für die Fans bleibt damit genügend Zeit, sich schon einmal einen geeigneten Standort für das Still-Leben der anderen Art am 15. Mai zu suchen. Der Termin für die Sperrung bleibt bestehen. Ganz sicher. Sagen zumindest die Schwarz-Gelben.
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