Endlager-Standort Gorleben: „Beispielhaft“ oder „willkürlich“?
Im Gorleben-Untersuchungsausschuss kommen Regierung und Opposition zu gegensätzlichen Urteilen. Union und FDP sehen keinerlei Fehler im Verfahren.
BERLIN taz | Unterschiedlicher könnten die Einschätzungen nicht sein: Nach dreieinhalb Jahren, in denen die Mitglieder des Gorleben-Untersuchungsausschusses des Bundestags rund 2.800 Aktenordner gewälzt und in 38 Sitzungen 51 Zeugen befragt haben, sind Regierungs- und Oppositionsfraktionen zu diametral entgegengesetzten Urteilen gelangt.
Für Union und FDP ist die zentrale Erkenntnis, dass bei der Auswahl und Erkundung des Salzstocks Gorleben als Atommüll-Endlager alles mit rechten Dingen zugegangen ist. „Eine politische Einflussnahme hat es nicht gegeben“, erklärte CDU-Berichterstatter Michael Paul. Für die FDP sagte Marco Buschmann, das Verfahren sei „beispielhaft“ gewesen, bei der Beteiligung der Öffentlichkeit sei „Pionierarbeit“ geleistet worden.
Dementsprechend gibt es nach Ansicht von Union und FDP keinen Anlass, von Gorleben abzurücken. Er habe sich nach den angelegten Bewertungsmaßstäben als „der geeignetste Standort“ erwiesen, heißt es im Abschlussbericht der Regierungsfraktionen. Bis heute habe es „nie Anlass“ gegeben, an der möglichen Eignung des Salzstocks Gorleben als „Endlager für alle Arten von radioaktiven Abfällen zu zweifeln“. Das fehlende Deckgebirge sei „kein Sicherheitsdefizit“, ein mögliches Gasvorkommen unter dem Salz habe „keine Relevanz“.
Geschichte setzt sich fort
Bei der Opposition sorgen diese Aussagen für Kopfschütteln. „Das ist unfassbar“, sagte Ute Vogt (SPD). „Ich hätte nicht geglaubt, dass so etwas heute noch möglich ist.“ Für die Grünen erklärte Sylvia Kotting-Uhl: „Die Geschichte Gorlebens, Fakten zu biegen, setzt sich in diesem Bericht fort.“
In ihrem Minderheitenvotum stellen SPD, Linke und Grüne fest, dass die Auswahl von Gorleben ein Ergebnis „politischer, willkürlicher Entscheidung“ sei und im Verfahren massiv „getrickst“ wurde. So sei Gorleben gar nicht unter den zunächst vorgeschlagenen Standorten gewesen und eine angebliche Nachuntersuchung habe es nie gegeben, sagte Johanna Voß (Linke): „Die Koalition betreibt hier Geschichtsklitterung.“
Trotz der schlechten Erfahrungen im Ausschuss sind SPD und Grüne optimistisch, dass die geplante neue Endlagersuche im Konsens gelingen kann. „Ich glaube an das neue Verfahren“, sagte Kotting-Uhl. Die Linke erklärte hingegen, solange Gorleben im Verfahren bleibe, sei ein echter Neubeginn nicht möglich.
Leser*innenkommentare
Geowissenschaftler
Gast
Erdinger sollten lieber bei ihrem Weizenbier bleiben. Die Auswahl von Gorleben war damals unter rein politischen Aspekten erfolgt. Albrecht verfolgte damals eine Doppelstrategie. Einerseits rechnete er damit, dass die Bundesregierung aus außenpolitischen Gründen wegen der Nähe zur ehemaligen DDR diesem Standort nicht zustimmen würde, andererseits sollte sich wider Erwarten dieser Standort doch noch durchsetzen, so könne er getrost die Zonenrandmittelförderung abgreifen. In jedem Falle stünde er als Sieger dar und würde nicht als Blockierer gelten.
In CDU-Kreisen wurden ganz andere Visionen von der Endlagerung gepflegt. Man wollte mit Raumschiffen den Müll in das Gravitationsfeld der Sonne bringen, wo er dann mittels Kernfusion umgewandelt würde. Man darf auch nicht vergessen, dass zu diesem Zeitpunkt auch noch hochradioaktiver Müll zur Debatte stand, der in der Asse auf der 900 m - Sohle zum Test in den "heißen Löchern" eingelagert werden sollte.
Als dann doch Gorleben immer wahrscheinlicher wurde, gerieten die BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften & Raumforschung) in Hannover, sowie das damit verbandelte Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung unter Erfolgsdruck. Sekundiert von der PTB-Braunschweig brachte man eine ganze Armada "wissenschaftlicher" Befürworter in Stellung. Dennoch waren die Bedenken der Gegner nicht vom Tisch zu wischen. Es stellte sich heraus, das noch viele Untersuchungen in verschiedenen Richtungen notwendig wurden, damit die Einwände entkräftet werden konnten. Das ist auch noch der heutige Stand. Weder die SPD noch die CDU/FDP haben sich in Fragen der Endlagerung radioaktiver Abfälle in Gorleben etwas vorzuwerfen. Diese drei Parteien haben die Notwendigkeit nie ernsthaft in Frage gestellt. Aus diesem Grunde ist das Geplänkel, wer damals nun mehr gemauschelt hat, überflüssig.
Es gilt das Kernproblem zu lösen, da diese Abfälle nun nicht wegdiskutiert werden können. Standort Gorleben ist im Moment ebenso zweifelhaft wie andere Strategien zum Versenken der Abfälle, ob es sich nun um Sedimente oder magmatische bzw. metamorphe Gesteine handelt. Das Kernproblem ist eine über geologische Zeiträume andauernde Korrosionsfestigkeit der Behälter. Danach kann erst der zweite Schritt zur Auswahl der geeigneten Deponie erfolgen.
Manfred Kopf
Gast
Gorleben liegt etwa 20 m über dem Meeresspiegel. Wenn der ansteigt, säuft das Endlager ab. In ca. 300 Jahren. Ist das genug Planungssicherheit?
Erdinger
Gast
Und schon wieder ideologie. Niemand weiss, ob Gorleben geeignet ist. Vielleicht ja - vielleicht nein. ABer den alten Gegnern reicht keine neue Suche mit weisser Landkarte. Gorleben hat BOESE zu sein und - mindestens - ein Verbrechen. Als naechsten schlaegt irgendein Kommentator auf und erzaehlt was von einem imaginaeren Atomstaat....
Wolfgang
Gast
Ungeschminkt
Kapital-Union und Liberal-Darwinisten wären auch dazu bereit, die Zukunft der Bevölkerung im Profit- und Dividenden-Interesse der Atom- und Rüstungsindustrie, der Finanz- und Monopolbourgeoisie zu opfern!