Ende siebte Staffel Game of Thrones: Zottelige All-Star-Combo in Flokati
Game of Thrones hatte das Fantasy-Genre aufgemischt. Doch die siebte Staffel stutzt die Serie auf konventionelles Vorabendprogramm-Storytelling.
So enttäuscht die siebte Staffel von „Game of Thrones“ (GoT) auf ganzer Linie. Klar, es ist mächtig was für das Auge dabei. HBO pumpte 100 Millionen Dollar in die Produktion, so viel wie nie zuvor, die Schlachten sind aufwändig inszeniert, für die Drachenattacken wurden so viele Stuntmen angezündet wie noch nie in der Filmgeschichte, ein komplett animierter sterbender Drache rührte die Herzen des Publikums. Für die atemberaubenden CGI-Drachen-Flug-Sequenzen saß Schauspielerin Emilia Clarke angeblich tagelang auf einem bewegbaren Bock im Studio, windumtost und gischtbestäubt, eingefangen von mehreren Kameras. (Wobei sogar der opulente HBO-Etat es nicht schaffte, die Drachen ruckelfrei zu animieren: Der Nachtkönig wirkt auf seinem Eisdrachen wie aus einem Stummfilm von Fritz Lang.) Die letzten Folgen der Staffel standen in Länge und Bildqualität Kinofilmen in nichts nach. Millionen Fans fieberten mit. Und erlebten eine inhaltliche Bankrotterklärung.
Die siebte Staffel gibt sich große Mühe, die Charaktere und Fäden der vorhergehenden Staffeln zusammenzuführen. Halb vergessene Figuren wie Robert Baratheons Bastardsohn Gendry tauchen wieder auf, dazu Sandor Clegane („The Hound“) mit Thoros von Myr und Beric Dondarrion von der Bruderschaft ohne Banner.
Gemeinsamer trauriger Höhepunkt der fast Vergessenen ist in Folge 6 „Nördlich der Mauer“ die Expedition in den eisigen Norden, um einen Untoten zu entführen. Sie gerät zum Trip einer zotteligen All-Star-Combo in Ikea-Flokati (wie Kostümdesignerin Michele Clapton bestätigte) – eine in jeder Hinsicht groteske Mission. Vox.com hat 27 offene Fragen zu dieser hirnrissigen Expedition zusammengestellt, in der New York Times verteidigt Regisseur Alan Taylor lahm den Raben, der so schnell wie ein Flugzeug hätte sein müssen, um rechtzeitig Hilfe für Jon Snow herbeizuholen. Der wahre Wert dieser insgesamt bescheuerten Mission für die Geschichte ist es, die Untoten nördlich der Mauer mit einem Drachen auszustatten. Damit sie dann für den Cliffhanger zum Ende der Staffel sorgen können.
Der Grusel ist dahin – und der Zauber
Das ist eine große Schwäche der siebten Staffel: Alles hat einen Sinn. Als wäre eine Vorsehung am Werk – konventionelles Storytelling wie in einer Vorabendserie. Dabei hatte Game of Thrones in seinen vorhergehenden Staffeln eigene Standards gesetzt: Erwartungen der Zuschauer wurden ursprünglich enttäuscht oder ad absurdum geführt. Keine noch so vermeintlich wichtige Figur war ihres Lebens sicher, alles war möglich: die Hinrichtung von Ned Stark! Die rote Hochzeit! Die Zerstörung der großen Septe von Baelor! Reihenweise segneten Hauptfiguren das Zeitliche – doch dieser schleichende Grusel ist nun dahin. Und damit der Zauber der ganzen Serie.
US-amerikanische Fantasy-Fernsehserie von David Benioff und D. B. Weiss für den US-Kabelsender HBO, nach den Büchern "Das Lied von Eis und Feuer" von George R. R. Martin. Die aktuelle Folge läuft Montag um 20.15 Uhr bei Sky Atlantic und im Streaming schon jetzt bei Sky und ab Dienstag bei Amazon Prime, iTunes oder Google Play.
Zwar stirbt mit Lady Olenna Tyrell ein Publikumsliebling, auch die Sandschlangen und Thoros von Myr gehen tot, aber die wirklich liebgewonnenen Figuren überleben ihre teils aberwitzigen Aktionen. Unfassbare Zufälle und Ungereimtheiten halten etwa Jaime Lannister oder Jon Snow am Leben. Jaime entgeht um Haaresbreite dem Feuer eines Drachen und taucht dann fünfhundert Meter in voller Rüstung durch einen Fluss.
Jon Snow bricht im Kampf gegen Untote durch Eis in einen kalten See ein, klettert dann einfach wieder heraus, als trüge er nicht mehrere Schichten Fell am Leib, die sich mit Wasser hätten vollsaugen müssen. Und dann entkommt er den Horden von Zombies (und den Weißen Wanderern) auf einem Pferd, das sein untoter Onkel Benjen kurioserweise genau in dem Moment bereitstellt.
Die Buchvorlage fehlt
Zusätzlich gehen reihenweise die Wünsche der mitfiebernden Fans in Erfüllung. Arya ist die erwartet gefühlskalte Meuchlerin geworden. Ihre Schwester Sansa reüssiert als umsichtige Lady von Winterfell. Gemeinsam erledigen sie den hinterhältigen Peter „Littlefinger“ Baelish. Cersei wird immer böser, der geläuterte Jaime verlässt ihre Seite. Jon und Danaerys landen im Bett. Im Los Angeles Book Review diagnostiziert Aaron Bady, dass GoT quasi zu einer Satire auf sich selbst geworden ist. Ganz falsch liegt er damit nicht.
Das mag daran liegen, dass die literarische Vorlage fehlt: Schon die vorangegangene sechste Staffel navigierte weitgehends ohne Buchvorlage von George R. R. Martin, der seit 2011 auf den sechsten Band seiner Buchserie warten lässt (nach deutscher Zählung: den elften und zwölften Band). Die Produzenten der Serie, David Benioff und D. B. Weiss, sprachen mit Martin nur die groben Handlungsstränge ab, ansonsten stammt die siebte Staffel komplett aus der Feder der beiden. Die Folgen: banale Dialoge, unrealistische Plotbeugungen.
Der Kampf gegen den Endboss
Wobei man einräumen muss, dass es gerade der grobe Handlungsstrang der Serie schwermacht. Während die Adligen und Könige zuvor das Spiel der Throne unter sich ausmachten, steht nun der Kampf gegen den Endboss an. Für die Serie ist das ein Handicap. Was vorher so gut funktioniert hatte, geht nun verloren: Dass GoT zwar in einer Fantasy-Welt spielte, aber weitestgehend ohne Fantasy-Elemente auskam. Die Serie war keine hundertste Kopie des Herrn der Ringe, sondern zeigte eine weitestgehend realistische und brutale Welt. Am Rand kamen zwar Fantasy-Elemente wie Zauberer, Untote oder Drachen vor, aber sie nahmen nie eine bestimmende Rolle in der Geschichte ein.
Viel wichtiger waren die Hauptpersonen in all ihren Ambivalenzen und Entwicklungen und in ihren wechselseitigen Beziehungen. Kaum jemand war hier eindeutig gut oder eindeutig böse. Und gerade Charaktere, die doch vor allem gut (Jon Snow, Nordmann mit Dackelblick) oder böse (Cersei Lennister, hinterlistige Königin auf dem Drachenthron) schienen, waren vor allem langweilig. Spannend wurde die Serie durch die Ambivalenzen, nachvollziehbaren Interessen, wechselnden Loyalitäten. Grauschattierungen statt Schwarz-weiß-Denken: Die Abwesenheit von Gut-Böse-Dichotomie machte Game of Thrones so brutal und so realistisch.
Klare Fronten = Langeweile
Doch nun ordnen sich die Fronten in einen klaren Kampf von Gut gegen Böse. Auf der einen Seite steht der Nachtkönig mit den weißen Wanderern und einer Armee Untoter (und seit der vorletzten Folge auch einem Zombie-Drachen), auf der anderen Seite die verschiedenen Stämme und Königreiche der Menschen, die sich unter der Führung einer weisen, attraktiven Königin gegen die Gefahr zusammenschließen. Der existenziellen Kampf von Licht gegen Schatten macht die Serie notwendigerweise banal. Wenn der Feind abgrundtief schlecht ist, gibt es bei den Guten kaum noch Raum für Nuancen, Entwicklungen, Ambivalenzen. Game of Thrones geht in die Herr-der-Ringe-Falle.
Und die achte Staffel? Wahrscheinlich wird es so wie im dritten Teil des genannten Über-Klassikers des Fantasy-Genres: Berauscht vom Pathos ihrer Weltrettung geben alle Beteiligten nur noch salbungsvolle Parolen von sich (oder wahlweise Zitate von Ned Stark). Im Sinne George R. R. Martins wäre etwas ganz anderes: Jon müsste gleich in der ersten Folge in blauem Eisdrachenfeuer verbrennen. Daenerys wird irre und schließt einen Pakt mit den Weißen Wanderern. Kleinfinger wird von der Roten Lady wiederbelebt und schmiedet Ränke zwischen Nachtkönig, weißen Wanderern und untoten Wildlingsfraktionen. Dann stellt sich heraus, dass die Weißen Wanderer die Guten sind und eigentlich gegen die Klimaerwärmung kämpfen. Cersei verliebt sich in Arya, gemeinsam metzeln sie alle anderen nieder.
Nur: Kommen wird es so nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?