piwik no script img

Ende eines VerkehrsprojektsBus statt Bahn

Das sinnvollste Verkehrsprojekt Hamburgs wird heute offiziell gestoppt. Die Hochbahn stellt auf Geheiß von SPD-Bürgermeister Olaf Scholz die Planungen ein.

Gestorbene Vision: So kommt die Stadtbahn wohl nicht. Bild: dpa

HAMBURG taz | Günter Elste formuliert es diplomatisch: "Die Stadtbahn zu bauen oder nicht, ist eine politische Entscheidung", sagt der Vorstandschef der Hamburger Hochbahn (HHA): "Wir als städtisches Unternehmen sind ein Instrument der Senatspolitik." Und deshalb ist Elste auch nicht begeistert, dass am heutigen Freitagvormittag der HHA-Aufsichtsrat die Planungen für die Stadtbahn stoppen will. Der neue Aufsichtsratschef, der parteilose Wirtschaftssenator Frank Horch, wird in seiner ersten Amtshandlung "die Beendigung des Projekts genehmigen". Zwar hält der ehemalige Präses der Handelskammer die Stadtbahn "im Grunde für ein schönes Projekt", nur leider sei sie "zurzeit nicht finanzierbar".

Deshalb wird das laufende Planfeststellungsverfahren für die erste Trasse beendet, runde acht Millionen Euro Vorlaufkosten sind in den Sand gesetzt. Der erste Abschnitt sollte von Bramfeld über Steilshoop und Winterhude über 7,7 Kilometer bis zum U-Bahnhof Kellinghusenstraße führen und später bis zum Bahnhof Altona fortgeführt werden. Das Gesamtnetz sollte vier Linien von 50 Kilometer Länge umfassen.

Noch im Januar hatte Elste, bis 1996 SPD-Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft, klare Position gegen die Ankündigung des damaligen SPD-Spitzenkandidaten Olaf Scholz bezogen, die Stadtbahn nicht zu bauen. "Eine Nulllösung geht nicht", sagte Elste. Vom nächsten Senat - "egal, welcher" - erwarte er "ein klares Bekenntnis zum öffentlichen Nahverkehr". Und "noch vor der Sommerpause" definitiv grünes Licht für die Stadtbahn. Nun regiert Scholz mit einem rein roten Senat, und der stellt die Ampel auf Rot.

Das Bussystem

Die Kosten für den ersten Bauabschnitt plus Betriebshof und Fahrzeuge gibt die Hochbahn mit 338 Millionen Euro an:

Der Betriebshof samt Werkstätten kostet 61 Millionen Euro, die ersten 14 Fahrzeuge 48 Millionen Euro. Diese 109 Millionen übernimmt die HHA.

Die Baukosten samt Planung, und Grunderwerb liegen bei 229 Millionen. Hamburg trägt davon 57 Millionen.

Ein Zuschuss des Bundes in Höhe von 98 Millionen aus Regionalisierungsmitteln ist gesichert.

Den Rest von 74 Millionen Euro zahlt der Bund auf Antrag nach dem Gemeindeverkehrswege-finanzierungsgesetz (GVFG).

Stattdessen soll die Hochbahn nun Hamburg "das modernste Bussystem Europas" bescheren, wie Scholz am 23. März in seiner Regierungserklärung ankündigte. Das allerdings erfordert separate Busspuren und Vorrangschaltungen an Kreuzungen - wie auch für die Stadtbahn. Zudem können selbst die längsten Doppelgelenkbusse pro Stunde im Fünf-Minuten-Takt nur höchstens 1.700 Fahrgäste befördern - die Stadtbahn hingegen kann mit 4.000 Passagieren mehr als doppelt so viele transportieren, in ihrer längsten Version mit sechs Wagen sogar mit 5.800 Menschen die dreifache Menge.

Nach Ansicht von Experten würde auf den am stärksten befahrenen Strecken jedes neue Bussystem nach nur etwa sechs Jahren die Grenzen seiner Kapazitäten erreicht haben. Denn seit 2006 steigen die Beförderungszahlen der Hochbahn jährlich um durchschnittlich zwei Prozent, im vorigen Jahr sogar um drei Prozent, wie Elste der taz sagte. Nach allen Prognosen würden diese Zuwächse anhalten und "rasch die Bussysteme erschöpfen". Im Vergleich dazu sei die Stadtbahn in allen Punkten komfortabler, schneller, ökologisch sinnvoll und zudem betriebswirtschaftlich günstiger als Busse.

Nicht zufällig wird die Stadtbahn in fast allen europäischen Millionenstädten wieder eingeführt oder ausgebaut: "Die Stadtbahn ist für den Verkehr in Metropolen der Maßstab der Zukunft", weiß der Hochbahn-Chef. Nur in Hamburg ist sie es nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • V
    vilmoran

    Die zweite Planung "für die Katz". Was alleine die gesamten Vorplanungen für dieses Projekt an Steuergeld gekostet hat ist unglaublich.

    Danke liebe SPD ihr seit wirklich eine Partei für die Zukunft.

    In Frankreich u.a. wird der ÖPNV auf der Schiene ausgebaut, in HH hat man in den verg. 50 Jahre nichts, aber auch überhaupt nichts dazugelernt. U-Bahn und Bus das Allheilmittel der deutschen Verkehrspolitik - erfreulich, daß einige Städte in Deutschland sich von diesem Traum verabschiedet haben.

    Das sind dann die Politiker, die uns zum Engergiesparen, Klimawandel und demographischer Entwicklung informieren.

    Dieses universelle bequeme Totschlagargument "kein Geld" kann ich nicht mehr hören!

  • T
    Tell

    Die Hamburger abstimmen lassen!!

  • M
    Mitropa1

    Eigentlich ist jede Mühe umsonst auf die Rückwärtsgewandtheit der SPD zu antworten. Aber es ist auch den Hamburgern nicht zu helfen, haben sie doch nach den guten Erfahrungen mit einem koksenden Amtsrichter nun einen Scholzomaten mit großer Mehrheit zum 1. BGM gewählt. Die Stadt könnte nun allerdings viel sparen, wenn sie den Senat, der ja in Hamburg wie in allen diktaturen offenbar nichts zu sagen hat, gleich abschafft. Außerdem wird beim notwendigen Straßenunterhalt für die von Bussen ruinierten Straßen kaum mehr Geld für die Bezahlung des Senates übrigbleiben.

    Hoffentlich entfallen jetzt konsequenterweise in Hamburg alle Parkgebühren und Parkeinschränkungen, da es ja keine Alternative zum Auto geben wird und das zudem den Freunden der SPD wie Daimler Benz oder Opel sicher auch gelegen kämme. Der Nichthamburger kann ja zukünftig zum Einkaufen nach Bremen, Hannover, Schwerin oder Rostock fahren, da gibt es einen attraktiven elektrischen ÖPNV mit Stadtbahnen und nicht nur Dieselrußbusse ubnd eine U Bahn zu Walddörfern.