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Ende des Mozilla-Dienstes „Pocket“Die Tasche ist zu

„Pocket“ war mehr als nur eine private Artikelliste, es war ein kuratiertes Empfehlungssystem. Nun schließt Mozilla den Online-Dienst.

Eine virtuelle Hosentasche, in die man Artikel stecken kann, die man später in Ruhe lesen will. Das war Pocket Foto: Markus van Offern/imago

Eine virtuelle Hosentasche, in die man Artikel stecken kann, für die man auf dem schnellen Weg zur Arbeit keine Zeit hat, aber später in Ruhe lesen will. Das war Pocket, der digitale „Später-Lesen“-Dienst von Mozilla Firefox für viele. Mit der App und der Webfunktion von Pocket konnte man Artikel von verschiedenen Zeitungen speichern.

Nun schließt Mozilla diese Tasche für immer. Schon zum 8. Juli 2025 stellt der Firefox-Betreiber den Dienst ein, den er 2017 übernommen hatte. Was dann bleibt, ist ein kurzer Zeitraum zur Datensicherung – bis zum 8. Oktober. Danach werden die Inhalte gelöscht, die App- und Browser-Erweiterungen verschwinden. Was für manche nur ein technisches Ende ist, bedeutet für andere das Ende einer täglichen Praxis. Und für viele Medienhäuser wie auch der taz: das Aus einer stillen, aber wirkmächtigen Reichweitenquelle.

Denn Pocket war mehr als eine private Artikelliste. Die Plattform hatte sich zu einem kuratierten Empfehlungssystem entwickelt – prominent auf der Firefox-Startseite. Dort wurden regelmäßig journalistische Inhalte aus aller Welt präsentiert, ausgesucht von einem Redaktionsteam, nicht von Algorithmen. Auf der eigenen Seite von Pocket gab es außerdem sogenannte „Collections“, unter denen verschiedene Texte zusammengefasst wurden, so zum Beispiel dieser Tage „Ein italienisches Paradies: Bologna“ oder „Wann sind wir unsterblich“.

Auch Texte aus der taz schafften es immer wieder dorthin – was wir nicht selten daran merkten, dass die Artikel eine starke Aufmerksamkeit, zum Beispiel durch Klickzahlen oder viele Kommentare auf der Seite bekamen. Diese Zahlen waren in letzter Zeit etwas rückläufig. So brachten Artikel auf Pocket im Jahr 2021 noch rund 18 Millionen Be­su­che­r:in­nen auf die taz Website, 2024 waren es nur noch rund 5 Millionen.

Jetzt also das Ende. Mozilla begründet es in der rein auf Englisch veröffentlichten Erklärung auf der Website damit, dass sich die Nutzungsgewohnheiten im Internet mittlerweile verändert hätten und dass Konsumieren und Speichern von Artikeln anders funktioniere. Die Ressourcen sollen künftig in neue Formate fließen – etwa ein Tool, das Tabs zusammenfassen soll, Empfehlungen für kuratierte Inhalte sollen künftig etwas durch einen E-Mail-Newsletter geschehen.

Für viele Le­se­r:in­nen wird es ein schmerzlicher Abschied sein – vor allem für jene, die Pocket nicht nur als Speicherort, sondern als persönliches jahrelanges Archiv genutzt haben. „So ein Ärger“, sagt etwa der Schweizer Journalist Rafael Zeier. In einem YouTube-Video zeigt er, dass er in der Pocket-App seit über zehn Jahren Artikel gespeichert hat.

Aber auch aus publizistischer Sicht geht etwas verloren. Pocket war eine seltene – nicht von irgendeinem Milliardär finanzierte, unabhängige – Plattform, auf der Inhalte durch Qualität und Relevanz auffielen – nicht durch Clickbait oder Social-Media-Tricks. Für Medien mit begrenzten Ressourcen war das Gold wert: Sichtbarkeit durch Auswahl, nicht durch Werbebudget. Zwar schreibt Mozilla, dass auch in Zukunft kuratierte Inhalte über die neue Registerkarte von Mozilla Firefox oder den Newsletter bestehen bleiben sollen, allerdings ist bisher noch nicht klar, wie Medienhäuser davon profitieren werden.

Ob andere Kauf­in­ter­es­sen­t:in­nen Pocket übernehmen könnten, darauf antwortet Mozilla auf Anfrage der taz nicht. Die Onlineplattform Heise hatte geschrieben, dass unter anderem der CEO von Medium, Tony Stubblebine, interessiert sei.

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1 Kommentar

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  • Interessant, ich hätte gedacht, das war einfach nur Werbung. Zumindest sah es so aus, die meisten Artikel ja durchaus Clickbait. Früher oder später wäre es Opfer der enshittification geworden, dann hätte auch die Tat dafür zahlen müssen, in der Pocket zu erscheinen