Ende des Abtreibungsverbots in Irland: Ein eindeutiges Ergebnis
Das strenge Abtreibungsverbot in Irland wird bald Geschichte sein. Der Ministerpräsident spricht von einer „stillen Revolution“.
Abgestimmt wurde über die Streichung eines Verfassungszusatzes von 1983, der Schwangerschaftsabbrüche bislang faktisch unmöglich macht. Wer dagegen verstößt, kann mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft werden. Selbst nach einer Vergewaltigung, Inzest oder bei einem kranken Fötus ist in Irland ein Schwangerschaftsabbruch untersagt. Tausende Frauen reisen jährlich nach Großbritannien und in andere Länder, um Abtreibungen vornehmen zu lassen. Nach dem Willen der Regierung soll nun bis Jahresende das Parlament Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche legalisieren.
Das Referendum hatte am Freitag stattgefunden, ausgezählt wurde am Samstag. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,1 Prozent. Irland hatte schon im Mai 2015 als erstes Land der Welt per Volksentscheid die Homo-Ehe zugelassen.
Vor dem Referendum hatte es eine erbitterte Debatte gegeben. Doch nur in einem der 40 Wahlbezirke, Donegal, votierte eine Mehrheit für den Erhalt des Status quo. In Dublin hingegen gab es Zustimmungswerte von weit über 70 Prozent. In der Innenstadt Dublins versammelten sich Tausende Menschen, um das Ergebnis zu feiern; vielerorts wurde getanzt und gesungen.
Moderne Verfassung eines modernen Landes
Regierungschef Varadkar sagte dem TV-Sender RTE, die Bürger hätten deutlich gemacht, „dass sie eine moderne Verfassung für ein modernes Land wollen“. Die Abstimmung zeige überdies, dass die Menschen in Irland den betroffenen Frauen trauen und sie in ihrer Entscheidungsfreiheit respektieren.
Die Gegner einer Gesetzeslockerung bedauerten den Ausgang des Referendums. Als eine „Tragödie historischen Ausmaßes“ bezeichnete die Gruppe mit dem Namen Save the 8th das Ergebnis. „Unrecht wird nicht deshalb zu Recht, nur weil eine Mehrheit es unterstützt“, teilte die Gruppe mit. Man werde jegliche Gesetze ablehnen, die zuließen, „dass Babys in unserem Land getötet werden“. Cora Sherlock von der Gruppe Love Both sagte: „Ich denke, es ist ein sehr trauriger Tag für Irland.“
Der UN-Menschenrechtsausschuss hatte das Abtreibungsverbot 2016 als Verstoß gegen internationale Menschenrechtsvereinbarungen kritisiert und die irische Regierung aufgefordert, es zu überarbeiten.
Die Grünen-Europapolitikerin Terry Reintke würdigte den Ausgang des Referendums als „Meilenstein für die körperliche und sexuelle Selbstbestimmung“, die in weiten Teilen Europas unter Beschuss stehe. „Wir müssen klar machen: Es geht um Grundrechte und um die Grundwerte der Europäischen Union“, meinte Reintke.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!