Ende der Schach-Olympiade: Mattes Finale
Vor dem Schlusstag der Schacholympiade steht fest, dass die Deutschen weit von der Weltspitze entfernt sind.
DRESDEN taz "Was können wir uns für Platz 25 kaufen?" Aus der rhetorischen Frage von Deutschlands Aushängeschild in Sachen Schach klingt reichlich Frust. Bei der Olympiade in Dresden, der Team-WM, wollte Elisabeth Pähtz zumindest "in die Top Ten" der 111 Nationalmannschaften. Doch vor der heutigen letzten Runde im Kongresszentrum findet sich die Auswahl des Deutschen Schachbundes (DSB) nur auf Rang 23 mit 12:8 Punkten. Selbst gegen Teams wie Luxemburg (2:2) und die Philippinen (3:1) lief nicht alles nach Wunsch für Pähtz. "Ich bin fertig", gestand die auch im wahrsten Wortsinn verschnupfte 23-Jährige, die mit ihren frechen Auftritten bei Harald Schmidt oder mit Hape Kerkeling Werbung für den Denksport machte.
Bei den deutschen Männern verflog ebenfalls die Euphorie in der sächsischen Olympiade-Stadt. Vor den bisher mehr als 15.000 Zuschauern startete die Equipe von Uwe Bönsch grandios. Doch seit der ersten Niederlage am Freitag läuft nicht mehr viel: Auf das 1,5:2,5 gegen Israel folgte ein 2:2 gegen Polen und ein 1,5:2,5 gegen die USA. Daniel Fridman (SV Mülheim-Nord) verkürzte nach Niederlagen von David Baramidze (Hamburger SK) und Igor Khenkin (TV Tegernsee). Spitzenspieler Arkadij Naiditsch remisierte gegen den ehemaligen Vizeweltmeister Gata Kamsky. Mit 13:7 Punkten rutschte Deutschland I auf den 18. Platz ab und dürfte selbst bei dem zu erwartenden Erfolg über Litauen knapp die Top Ten unter den 146 Teams verpassen.
Doch auch höher gewetteten Mannschaften kommt zum Abschluss heute um 10 Uhr lediglich die Rolle des Spielverderbers zu. Die USA (15:5) werden selbst bei einem Erfolg über die Ukraine (17:3) keine Medaille einheimsen. Der Sieger von 2004 liefert sich ein Fernduell mit Armenien (17:3), wobei der Titelverteidiger von Turin 2006 die schwierigere Aufgabe zu lösen hat: Die Nachwuchstruppe aus China (16:4) kommt langsam in Schwung und will sich zumindest Silber sichern. Davon darf das fünftplatzierte Russland (15:5) nur noch träumen. Der mit der stärksten Olympiade-Equipe aller Zeiten angetretene Topfavorit könnte selbst bei einem Erfolg über Spanien (15:5) hinter Israel (16:4) Bronze verpassen.
Meilenweit davon entfernt ist Bulgarien (13:7) auf Platz 19. Nachdem Wesselin Topalow gegen den Wahl-Spanier Alexej Schirow seine erste Niederlage kassierte, muss sich der Weltranglistenerste mit anderen positiven Aspekten der Tage in Dresden aufheitern: Das Kandidaten-Finale, in dem der nächste Herausforderer von Weltmeister Viswanathan Anand ermittelt wird, ist endlich perfekt. Weil sich das Millionenangebot aus der Ukraine als Ente entpuppte, tauschte Topalows Kontrahent Gata Kamsky aus den USA seinen zu viel versprechenden Manager aus. Nun tritt der Weltcup-Sieger doch zu einem Preisfonds von vergleichsweise geringen 250.000 US-Dollar in Sofia (16. bis 28. Februar) an. Lange Zeit hatte Kamsky dem Schach-Weltverband Fide mit einem Boykott gedroht, sollte der Zweikampf in Topalows Heimatland Bulgarien stattfinden.
Wie die Russen bei den Männern präsentiert sich der haushohe Favorit bei den Frauen sehr matt: China (14:6) war zunächst der Konkurrenz mit sechs Siegen enteilt - gewann aber seitdem kein Match mehr. So verteilen nun Polen (17:3) und Titelverteidiger Ukraine beziehungsweise Serbien und Georgien (alle 16:4) die Medaillen unter sich.
Einen ersten Triumph darf auch der kleinste Schachverband der Welt mit seinen 25 Mitgliedern (taz berichtete) feiern: Die Seychellen festigten bei den Frauen mit 3:17 Punkten den 110. und damit vorletzten Platz vor Afghanistan (1:19). Das Männer-Quartett (4:16) gab dank des ersten Sieges mit dem 3:1 über das Trio aus Ruanda die Rote Laterne ab und kletterte auf Rang 143 unter 146 Nationalmannschaften.
HARTMUT METZ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau