Emssperrwerk: Gutes Timing
Schröder am roten Knopf
Am 17. September 1998 drückte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) unter Blitzlichtgewitter auf einen roten Knopf. Gemeinsam mit Kanzleramtsminister Rudolf Seiters (CDU) setzte er den ersten Rammschlag für das Emssperrwerk. Heute, knapp vier Jahre später, wird Schröder wieder an der Ems vor einem roten Knopf stehen. Bevor das Sperrwerk Ende Oktober seine praktische Premiere erlebt, leitet Schröder, dieses Mal als Bundeskanzler, die Generalprobe. Nach dem Knopfdruck sollen sich erstmals alle sieben Tore des Jahrhundertbauwerks gleichzeitig in Bewegung setzen – all das zwei Wochen vor der Wahl.
Das 476 Meter breite Sperrwerk liegt am Ende des Dollart-Trichters, der Emsmündung und Nordsee verbindet. Bei Sturmfluten soll sich der siebentorige Riesen-Riegel schließen. Land und Leute dahinter werden so vor dem Ansturm des „Blanken Hans“ bewahrt.
Etwa 215 Millionen Euro müssen Bund und Land für das Sperrwerk berappen. „Verzinsen“ soll sich das Geld doppelt. Neben vermiedenen Schäden durch Fluten soll durch das Bauwerk der Standort der Papenburger Meyer-Werft erhalten werden. Als industrieller Kern der Region sichert die Werft mit dem Bau von Fähren und Kreuzfahrtschiffen mehrere tausend Jobs in Werft und Zuliefer-Betrieben.
Doch das Werk sitzt in einer Art Mauseloch. Die Kreuzfahrt-Riesen wuchsen in den vergangenen Jahrzehnten stetig. Die Ems, auf der die fertigen Riesen zur Nordsee müssen, blieb immer der selbe kurvige kleine Fluss. Trotz Vertiefung des Fahrwassers, Ausbaggerungen und hoch entwickelter Fahrtechniken der Schiffe wurden Überführungen immer häufiger zur Zitterpartie.
Das soll mit dem Sperrwerk nun ein Ende haben. Mit seiner Hilfe lässt sich die Ems auf 25 Kilometern von Gandersum bis zur Werft aufstauen. In der so entstehenden Wanne können die Meyer-Riesen nahezu unabhängig von Wind und Wetter zur See reisen. Nach der Fahrt wird das künstliche Bassin wieder abgelassen.
Fertig werden sollte das Sperrwerk ursprünglich im Juni 2001. Doch die Planer hatten die Rechnung ohne die Umweltverbände gemacht. Sie machten juristisch Front gegen das Vorhaben. Aus ihrer Sicht könnte das Sperrwerk dem ohnehin labilen ökologischen System der Ems den Todesstoß geben. Besser wäre nach Ansicht der Umweltschützer ein Umzug der Meyer-Werft an tieferes Wasser gewesen.
Im Streit um das Sperrwerk waren die Verbände zunächst erfolgreich. Sie setzten kurz nach Start einen Baustopp durch. Erst elf Monate später konnte es in Gandersum weiter gehen, nachdem die Pläne juristisch wasserdicht gemacht worden waren. Kostenlos war der Krieg ums Sperrwerk nicht zu haben. Kalkuliert war der Bau mit 166 Millionen Euro. Die Steigerung auf jetzt 215 Millionen Euro geht nach Ansicht der Macher natürlich auf das Konto des Baustopps. dpa
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