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Empörende Verdummung

■ betr.: „Friede ist kein Grundwert“, taz vom 5./6. 8. 95

[...] Die taz versteht sich als offenes Diskussionsforum, natürlich kann sie da auch einen Herrn Geißler zu Wort kommen lassen. Trotzdem hat der Artikel mich erschreckt. Er zeigt, wie leicht die Verwirrung hergestellt werden kann, an deren Ende steht: „Fundi- Pazifismus“ (was für ein Wort!) ist lächerlich, ist sinnlos, ist alberne Gesinnungs-, aber keine ernstzunehmende Verantwortungsethik. [...] Was die schreckliche Situation im ehemaligen Jugoslawien betrifft, ist von Anfang an kein ernsthafter politischer Wille zu gewaltfreien Lösungen vorhanden gewesen, jetzt so zu tun, als müßte auch der Friedenswilligste einsehen, daß es ohne Waffen nicht geht, ist eine Verdummung, die mich empört. [...]

Friede ist – da hat Heiner Geißler recht – kein Grundwert, sondern eine ständig zu erarbeitende Form des Miteinanderlebens auf der Grundlage der Gewaltlosigkeit, diese aber ist sehr wohl ein grundlegender Wert. Ich kann nicht wollen, daß mir Gewalt angetan wird, niemand will das, und so kann ich auch meinem Mitmenschen keine Gewalt antun. Daß gegen diese Grundvoraussetzung allen menschlichen Zusammenlebens ständig verstoßen wird, nicht zuletzt zum Beispiel auch durch unser Wirtschaftssystem, macht diese Grundvoraussetzung selbst nicht obsolet, ganz im Gegenteil. [...] Elisabeth Kasch, Reinbek

[...] Wenn die Herren Geißler, Bohl, Struwe, Cohn-Bendit, Fischer und wie sie alle heißen, keinen anderen Ausweg aus politisch zerfahrenen Situationen als in der Anwendung militärischer Gewalt sehen, dann mögen sie daraus auch persönliche Konsequenzen ziehen und dieses Geschäft nicht anderen überlassen. Das sage ich als Kriegsteilnehmer, der sich scheut, junge Leute – um die geht es ja – in einen möglichen Tod zu schicken. [...] Ulrich Herre, Hamburg

Geißler als Kommentator in der taz – da bin ich fast vom Stuhl gefallen. Hat man vergessen, wie viele Kübel Mistwasser dieser Herr über Pazifisten, Sozialisten, Grüne einst als Generalsekretär ausgeschüttet hat? Und jetzt soll er sich gewandelt haben, nur weil er glaubt, mit Hilfe seines Freundes Fischer in der Nachkohlzeit ein Treppchen nach oben zu steigen? Zwei schneidige Opportunisten haben sich da gefunden! W. Duffner

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