piwik no script img

Emojis und andere WidrigkeitenWasserpistole ja, Stagediving nein

Welches Emoji passt zu wem? Und zu einem selbst? Eine Frage, die viel existenzieller ist, als es zunächst aussieht.

Rund 3500 Emojis sind gerade im Unicode und die einzige Schusswaffe ist eine Wasserpistole Foto: Westeind61/imago

K ürzlich fiel ich mal wieder in einen Abgrund des digitalen Lebens. Jemand erzählte mir, eigentlich beiläufig, sich jetzt endlich, endlich für ein Signature- Emoji entschieden zu haben. Ähm, was? Dachte ich erst. Bis ich eine Sekunde später verstand: Ein Emoji, das man unter Messenger-Nachrichten setzt, wenn sich gerade kein anderes inhaltlich aufdrängt. Und das die eigene Persönlichkeit in der üblichen witzig-nachdenklich-ironisch-beiläufigen Netzansprechhaltung auf den Punkt bringt.

Die Auswahl ist jedenfalls eine echte Herausforderung – und zwar ganz unironisch. Schließlich sind viele Emojis alles andere als eindeutig. Zum Beispiel der Smiley, der kopfüber lächelt. Steht er nun für Ironie? Für Sich-lachend-auf-dem-Boden-kugeln, was nur noch jemand ROFL schreibt, der das Icon für die Emoji-Auswahl noch nicht gefunden hat? Oder wollte die Absenderin einfach nur ein lachendes Gesicht und fand die zahlreichen anderen zu langweilig?

Und wenn schon ein simples Lach-Emoji Zweifel auslösen kann – was ist dann erst mit dem Zwinkergesicht? Den diversen Herzen? Mit der Aubergine? Und der Chili-Schote? Zumal die meisten Emojis unterschiedlich dargestellt werden – je nachdem ob die Nut­ze­r:in­nen sie im Browser, bei Android, Apple, Facebook, Gmail oder jeweils einem anderen der zahlreichen Dienste verwenden.

Alleine über die unterschiedlichen Darstellungen des Nagellack-Emojis ließe sich eine abendfüllende Debatte führen. Rot, rosa oder lila? Die Hand gerade oder schräg? Und warum ist da eigentlich keine Farbe und Handform, die etwas non-binärer daherkommt?

Da ist es doch viel leichter, Signature-Emojis für andere zu finden. Olaf Scholz zum Beispiel bekommt gleich mal die gute alte Mauer aus roten Backsteinen. Nancy Faeser darf von ihren Innenminister-Vorgängern das Überwachungsauge übernehmen und der FDP-Finanzminister signalisiert mit gekreuzten Armen schon von Weitem, gut sichtbar, sein Nein, bevor er auch nur die Frage gehört hat.

Gespenst versus Roboter

Zu RWE gehörte eigentlich die angezündete Bombe, aber weil das in diesen Zeiten nicht geht, muss das Rauchverbot-Zeichen herhalten. Das 49-Euro-Ticket verdient die Sanduhr, und der Kapitalismus hat längst das Gespenst gegen den Roboter getauscht. Die Erde bekäme das schmelzende Gesicht, daher bleibt für die Wohnungsmärkte der deutschen Großstädte nur das vor Hitze rot angelaufene.

Rund 3.500 Emojis sind gerade im Unicode – umso spannender also zu schauen, was nicht dabei ist. Ein Stagediving-Emoji? Fehlt. Ebenso wie eine Windkraftanlage. Wie soll Robert Habeck da glücklich werden? Auch nicht drin: die Merkel-Raute. Daraus Rückschlüsse auf die digitalpolitische Bedeutung der ehemaligen Kanzlerin zu ziehen ist natürlich unzulässig.

Immerhin: Nicht nur Windkraft ist nicht drin, auch Kohle- und Atomkraftwerke fehlen. Dafür gibt es zwei echte Dinosaurier – die in den meisten Darstellungen eher knuffig als gefährlich aussehen. Und die einzige Schusswaffe ist eine Wasserpistole.

Die Auswahl neuer Emojis trifft übrigens das Unicode-Konsortium. In dem haben vor allem die großen Tech-Konzerne das Sagen. Konzerne also, die in Sachen Algorithmen, Transparenz, Hatespeech und besserer Moderation nur dann aktiv werden, wenn der Druck aus Politik und Gesellschaft doch arg zu groß wird. Wie gut, dass sie da mit knuffigen Dinos und rosarot lackierten Fingernägeln ein bisschen nette Welt spielen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!