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Emmi und Bertie

Das ist Premiereneuphorie: Wo sie eigentlich bloß über die Bühne torkeln sollte, reißt Sängerin Emmi den Tisch um, und ein Wasserglas muß dran glauben. Ehemann Bertie müht sich vom Klavierhocker, um Emmi aufzuhelfen.

Es muß schon Scherben geben, damit Bertie seine Frau beachtet. Sie interessiert ihn nur als Zielscheibe für Hänseleien. 80 Jahre auf der Bühne und mindestens ebensolange vermählt, zeigen Emmi und Bertie mit Da nich für ein Best-of aus verbalen Seitenhieben und kitschigen Schlagern.

Bertie darf zwischendurch mit Fremdworten spielen und über großstädtische Vereinsamung faseln – sozial unkritisch bleibt er trotzdem. Und das ist gut so. Statt oberflächliche Kritik zu üben, machen Emmi und Bertie sich zum Ziel des Zuschauerspotts. Mitgerissen vom eigenen Gesang galoppiert Transvestit Emmi durchs Publikum und stolpert über Taschen und die eigenen Lackpumps. Bertie imponiert vor allem durch sein abstoßendes Äußeres. Womit er seine Haare an den Kopf klebt, möchte man lieber nicht wissen, und auch nicht, wo der Mann seine Hemden kauft.

Zwischen Geschmacksverlust und Ehehaß wirken die beiden rührend. Sie legen eine Resignation an den Tag, die bei anderen Paaren als Endstadium der inneren Kündigung gelten würde. Bei Emmi und Bertie wirkt sie jedoch komisch, und niemand bedauert die beiden dafür, weitere 80 Jahre miteinander leben zu müssen.

Judith Weber

SchlapplacHHalde, 20.30 Uhr,bis zum 26. Dezember, außer Heiligabend

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