piwik no script img

Eltern ekzemkranker Kinder trafen sich

■ Erste Beratungsstelle in Gera eröffnet / Selbsthilfegruppen gründen sich / Kaum staatliche Fürsorge

Gera (taz) - Kindertränen in der Nacht. Blutig gekratzte Haut, Schlafstörungen wegen Juckreiz. In immer mehr Familien spielen sich dieselben Szenen ab.

Zu den Krankheitsursachen zählen unzweifelhaft verpestete Luft oder chloriertes Wasser, mit Konservierungs- und Farbstoffen angereicherte Nahrung neben erblichen Veranlagungen. Beobachtungen in Kinderkliniken so umweltbelasteter Gegenden wie Leipzig, Pirna oder Bitterfeld zeigen deutliche Parallelen.

Keineswegs verwunderlich der große Zuspruch zum 1.Landesweiten Elternseminar der Ekzemberatungsstelle Gera. Allein aus Leipzig waren über 100 Teilnehmer ins Ostthüringische gereist.

Im Februar dieses Jahres war in Gera die erste Ekzemberatungsstelle der DDR eingerichtet worden. Ihr Anliegen: die Unterstützung betroffener Eltern und Kinder, die Gründung von Selbsthilfegruppen, wie eine in Gera seit etwa zwei Jahren besteht.

Hilfe zur Selbsthilfe, so das Motto der Veranstaltung, beschränkte sich nicht allein im Erfahrungsaustausch zwischen Eltern, Ärzten, Psychologen und Salben verabreichenden Drogisten, versuchte vielmehr, die Dimensionen des Problems abzustecken.

„Hauterkrankungen sind, auch wenn die Faktoren ihrer Entstehung noch nicht zweifelsfrei geklärt sind, eine Zivilisationserscheinung. Sie stehen in mittelbarem Zusammenhang mit Umwelt- und Ernährungssünden“, erklärt dazu Petra Pagel, Leiterin der Geraer Ekzemberatungsstelle und Initiatorin des Seminars. „Leider“, so ihr aktuelles Urteil, „stoßen wir mit dieser Meinung noch immer auf Ignoranz. So hatten wir Einladungen ans Gesundheitsministerium nach Berlin, ans Ernährungswissenschaftliche Institut Potsdam -Rehbrücke sowie ans Dresdner Hygieneinstitut geschickt. Sie blieben, wie Sie der Teilnehmerliste entnehmen können, unbeantwortet.“

Man blieb also unter sich: über 300 Eltern diskutierten über Alltagssorgen ekzembelasteter Familien. Die Bereitschaft zur Gründung von Selbsthilfegruppen ist als Reaktion auf Defizite staatlicher Fürsorgeleistungen zu werten, bis dato waren die Betroffenen einzig im Kontakt mit ihrem Hausarzt.

Wenn man bedenkt, daß 10 bis 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen an Allergien, zu denen das Ekzem gehört, leiden, wird deutlich, wie überfällig ein solches Elternseminar war.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen