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Elmshorner Lichtermarkt unter rechtem BeschussHetzparolen statt Weihnachts-Frieden

Die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und heutige AFD-Sympathisantin Erika Steinbach polemisiert gegen den „Lichtermarkt“ in Elmshorn. Doch ihre Kritik kommt zehn Jahre zu spät..

Reicht, um eine altgediente Frontfrau der politischen Rechten wie Erika Steinbach ausrasten zu lassen: Ausschnitt des Plakat des diesjährigen Elmshorner Lichtermarkts. Foto: Stadtmarketing Elmshorn

HAMBURG taz | Die Botschaft ist eindeutig: „Ich kenne kein Land, dass seine eigenen Traditionen und Kultur selbst aufgibt“, postet die Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach politisch wie grammatisch inkorrekt auf Facebook. “„Deutschland zerstört seine Identität selbst“, fügt sie hinzu und flankiert die ganze Aussage noch durch drei Daumen, die nach unten zeigen.

Der Stein des Steinbachschen Anstoßes: Ein Plakat des „Lichter­markts“ in Elmshorn (Kreis Pinneberg). Ob sich Steinbach eher an der Bezeichnung Lichtermarkt stört oder an der Abbildung eines Mädchens, das womöglich nicht ihrer Idealvorstellung eines deutschen Kindes entspricht, verrät die 74-Jährige – die im Januar aus der CDU austrat und seitdem die AfD unterstützt – nicht. Doch ihr Lichtermarkt-Bashing liegt voll im Trend. Überall in der Republik stören sich besorgte Mitmenschen in der beginnenden Vorweihnachtszeit an Lichterfesten, Winterbasaren oder Knuspermärkten, folgern aus dem Fehlen des Begriffs „Weihnacht“ eine Komplett-Kapitulation vor dem Islam.

4.000 Mal wurde Steinbachs Facebook-Post bis Mittwoch geteilt. Bestärkende Kommentare meist männlicher Follower überschlagen sich: „Wenn im nächsten Jahr eine Frau mit Burka auf den Plakaten zum Chariafest anstatt zum Weihnachtsfest winkt, dann haben die ewig dummen Gutmenschen bestimmt auch eine tolle Erklärung für uns parat“, blickt ein Thomas L. in die Zukunft, und ein Michael R. prognostiziert: „Wir sind auf dem Weg zur Islamischen Republik.“ Der Dresdner Anwalt und AfD-Sympathisant Maximilian Krah postet: „Soso, ’Lichtermarkt’ – so tief sind nicht mal die Kommunisten in der DDR gesunken. Schäm dich, Elmshorn!“

In der Elmshorner Stadtverwaltung ist man über die Steinbach-Äußerungen entsetzt. „Für uns als Stadt ist es inakzeptabel, dass eine so traditionsreiche und von unserer christlichen Kultur geprägte Veranstaltung wie der Elmshorner Lichtermarkt instrumentalisiert wird, um im politischen Umfeld Stimmung zu machen“, schimpft Elmshorns Bürgermeister Volker Hatje (parteilos). Und weist darauf hin, dass die Namensgebung und das Plakatmotiv mitnichten ein zeitgemäßer Kniefall vor dem Islam seien. Der Lichtermarkt heiße aufgrund der besonderen Beleuchtung, die ein Highlight der Veranstaltung sei, schon seit 2007 so, nur habe sich bislang niemand daran gestört. Die Umbenennung sei damals aus Marketinggründen erfolgt.

Und auch das Mädchen ohne blonde Zöpfe ziere das Plakat immerhin schon seit 2011. Und das bislang ohne erkennbaren Widerstand zu provozieren. Das abgebildete Mädchen gehöre übrigens zu den 50.000 EinwohnerInnen von Elmshorn, ergänzt Hatje. 2011 waren 40 Elmshorner Kinder zu einem Foto­shooting erschienen, um sich als Werbebotschafter für den Markt fotografieren zu lassen. Danach wurden die Bilder in verschiedenen Geschäften ausgestellt. Das Mädchen mit dem Afrolook wurde schließlich ausgewählt und seitdem jährlich auf die Markt-Plakate gedruckt, um einen Wiedererkennungswert zu gewährleisten. „Wir lassen uns auf keine Diskussion ein, in der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden“, sagt der Bürgermeister.

Neben viel Applaus bekommt Steinbach in den Sozialen Medien auch Gegenwind. Sie kenne „keine Frau in ihrem Alter, die so wenig denken kann, wie Frau Steinbach“, postet eine Karin L., während ein Wolfgang M. sich in Ironie übt: Er habe „im Internet gelesen – und dann muss es ja stimmen – dass unser Weihnachtsreifen mittlerweile in Winterreifen umbenannt wurde. Die Islamisierung schreitet also unaufhaltsam voran!“

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11 Kommentare

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  • Danke. Merke, ich werd' allmählich verklakt. Menno, ist doch ein Relativsatz und damit eine der Rechtschreibregeln, die ich kenne und doch auf dem Schlauch stand!! schluchz

  • Früher wr alles besser.

    Mehr Lametta, Konservative beklagten die komerzalisierung des Weihnachtsfestes und beklagten die geringen Umsätze des Weihnachtsgeschäftes.

     

    Das is ' doch jetzt prima gelöst:

    Kommerz wegen besserem Marketing als Lichterdingens outgesourst, Umsatz gesteigert und Weihnachten, wie damals der Tempel durch Jesus vom Geld gereinigt.

  • Ich weiß schon, warum ich nicht bei Facebook bin und dort den ganzen Unsinn lesen muss, den die Mitbürger da absondern.

  • Das wahrhaft traurige und lustige an dieser Attacke Steinbachs liegt darin, dass das afrikanischstämmige Mädchen mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit Christin ist, als ein blondes und blauäugiges deutschstämmiges Mädchen.

     

    Falls sich Deutschland tatsächlich abschaffen sollte, dann liegt das hauptsächlich an den Bemühungen von AfD und Konsorten.

  • Mei, jetzt will sich die arme Alte bei der AfD einschleimen und was ist? Alles was uns auffällt ist, dass ihr Hirn halt ein wenig zu langsam arbeitet. Dabei müssten wir das doch schon lange wissen, schliesslich waren die Reden der "Dame" doch schon seit Jahren ka**braun! Und dass Hetze manchen Menschen einfach näher steht, als Nachdenken und Recherche, ist bei den Rechten auch nicht neu!!

    • @Lesebrille:

      Ich würde mal sagen: Die Dame ins Herkunftsland zurückführen...

  • Was ein Glück das der Jesus der guten Christenmenschen ein Westeuropäer war und kein hakennäsiger Palästinenser dunkler Hautfarbe...

     

    Gemäß dem Motto I am guilty to be white, I am guilty to be right...

  • Nicht, daß ich die Meinung von der Frau Steinbach und Gelichter teile. Ganz im Gegenteil! Aber wie hieße es denn grammatikalisch richtig???

    Kann, das wer einem Mutter-aber Dialektsprachler (süddt.) erklären?

    • @onesimus:

      „Ich kenne kein Land, dass seine eigenen Traditionen..." Wenn man das "das" nach dem Komma auch durch "dieses" oder "welches" ersetzen kann, wird es allein mit einem "s" geschrieben. Also:

      "Ich kenne kein Land, welches..." funktioniert - grammatikalisch - ebenso. Inhaltlich... lassen wir das, ich behalt mein Essen lieber in mir!

    • @onesimus:

      Hand auf Herz: Welches Land kennen sie persönlich? (Womit nicht Sie als Person gemeint sind, sondern eben das Land, im Sinne von: das Land persönlich) Und wenn Sie diese Frage für sich beantwortet haben, können Sie sich vielleicht auch selbst die Frage beantworten, wie "ein Land seine" Traditionen und seine Kultur selbst abschaffen kann.

      • @Ute Krakowski:

        Hä............??????????????????????????????????????