Eliteklasse mit Dorfcharakter

■ Frauenfußball: England plant bereits eine Profiliga – und die Bundesliga sieht zu. Die HSV-Frauen werden selbst im eigenen Verein kaum beachtet

Der Frauenfußball in Deutschland hat zwei Gesichter. Hier das Nationalteam als amtierender Europameister, das für erfolgreichen Fußball steht, da der triste Alltag der kaum beachteten Bundesliga. Von einer florierenden Liga ist man hier zu Lande trotz des EM-Titelgewinns aus dem Vorjahr weiter entfernt, als die Herren des FC St.Pauli von der Deutschen Meisterschaft. Eklatante Strukturprobleme bestimmen das Bild, Sponsoren lassen sich nur schwer finden. Kein Wunder, denn die Frauen-Bundesliga ist alles andere als werbeträchtig. Das Interesse der Öffentlichkeit geht gegen Null.

Die Bundesliga-Frauen des HSV bilden da keine Ausnahme. Wenn zu den Heimspielen der Aufsteigerinnen 200 ZuschauerInnen den Sportplatz in der Hagenbeckstraße säumen, ist man schon zufrieden. Auf den Trikots sucht man den Aufdruck eines Sponsors vergeblich. Auch das Interesse der Medien ist nicht gerade einer Bundesliga würdig. Zwar erhalten die zwölf Bundesligisten je 60.000 Euro Fernsehgelder pro Saison, Kameras bleiben den Spielen jedoch fern – eine Sendeverpflichtung seitens der Anstalten besteht nicht. „Die Liga hat Dorfcharakter und leidet unter der typischen Amateur-Krankheit“, diagnostiziert Alfred Werner, Vorsitzender des FFC Heike Rheine.

Nun dringen Meldungen aus England herüber, wonach im Mutterland des Fußballs eine Profiliga für Frauen geplant sei. Eine Bedrohung für die Bundesliga, weil es die besten Kickerinnen auf die Insel zieht? „Nein“, widerspricht entschlossen Liga-Sprecher Siegfried Dietrich, „die ein oder andere Spielerin würde vielleicht nach England gehen, aber qualitativ sind wir bei deutschen Spitzenklubs einfach weiter“. Noch.

Um das aber auch in Zukunft behaupten zu können, muss in Deutschland noch viel passieren, weshalb Dietrich in der englischen Profiliga „einen Weckruf und den Anreiz sieht, die Bundesliga ebenfalls zu professionalisieren“. Das Image des Vereinsfußballs muss verbessert werden, das Produkt bedarf einer cleveren Vermarktung.

Er weiß, wovon er spricht, leitet er doch als Manager die Geschicke des deutschen Meisters und Vorzeige-Klubs 1.FFC Frankfurt. Man ist der Konkurrenz deutlich voraus. Nicht nur sportlich, wo man den Zweiten Potsdam mit zehn Punkten auf Distanz hält. Besonders wirtschaftlich ist Dietrich mit seinem Verein Klassenprimus. Nach dem EM-Triumph der deutschen Frauen verzeichnete der Meister einen Zuschaueranstieg um 30 Prozent – fast 700 Fans verfolgen mittlerweile im Schnitt die Spiele, Tendenz steigend. Mit der hessischen Lottozentrale wurde ein starker Sponsor gefunden.

Von einer derart positiven Entwicklung kann die Frauenabteilung des HSV nur träumen. Die Nachricht von einer geplanten englischen Profiliga tangiert die Verantwortlichen hier nur am Rande. Spielerinnen, die für Profi-Teams in Frage kämen, finden sich beim HSV ohnehin nicht. Man hat genug zu tun mit den Strukturmängeln im eigenen Verein. „Frauenfußball steht ganz hinten an“, berichtet Manager Reiner Jordan. Etwas mehr Engagement seitens des HSV täte seiner Sparte gut. Doch er klingt, als hätte er bereits resigniert, denn „auch vom DFB ist keine Rückendeckung zu erwarten“. Soll heißen, der DFB ist auf der Suche nach einem finanzkräftigen Liga-Sponsor bislang nicht fündig geworden.

Profiliga hin oder her, eine neue Liga wünscht sich auch der HSV: Für 2004 hofft man auf Einführung der Zweiten Bundesliga, um dem Pendeln zwischen Bundes- und Regionalliga ein Ende setzen zu können. Laut Jordan ist nämlich ein „Abstieg aus der Bundesliga in diesem Jahr theoretisch möglich“, was angesichts der Tabellensituation nicht von der Hand zu weisen ist: Der HSV trägt nach zwölf Partien die rote Laterne – ohne ein einziges Pünktchen. Thorsten Hoppe