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Element of Crime mit neuem AlbumIm eigenen Museum

Alles wie immer: Element of Crime und ihr Sänger Sven Regener legen ein neues Album vor: „Lieblingsfarben und Tiere“.

Sehen gar nicht so museal aus: Element of Crime. Bild: dpa

Immerhin auf eines ist Verlass. Darauf, dass aus der Feder Sven Regeners in der Regel tolle Lyrik (zuweilen auch Prosa) fließt. Wobei, würde Regener einen sofort unterbrechen, das wäre doch Quatsch mit der Feder, wer schriebe denn heute noch mit Feder oder Füllfederhalter, außer vielleicht Peter Handke, und kritzele der seine Notizen denn bitteschön nicht eher mit Bleistift hin – und dann könnte man noch mal von vorne beginnen und versuchen zu erklären, dass die Texte, die Regener schreibt, auch heute noch so klingen, als flössen sie aus einer Feder, als seien sie nicht auf einer schnöden Tastatur geschrieben worden.

Man könnte also auch von dem 13. Gedichtband sprechen, den Regener nun vorgelegt hat, den neunten davon in deutscher Sprache, und es gelingt ihm auch in diesem wieder, Zitate beiläufig einzubauen und Verse so zu dichten, dass man sein restliches Leben nicht mehr auf sie verzichten will: „Je länger man kaut, desto süßer das Brot/ Irgendwas ist immer, irgendwas ist immer/ Und Liebe ist kälter als der Tod“.

Der Gedichtband ist eigentlich ein Album; es hört auf den Namen „Lieblingsfarben und Tiere“ und es handelt sich dabei um das neue Album der Band Element Of Crime. Sänger Regener rotzt dabei wie gewohnt die Zeilen nasal dahin, was man fast wörtlich nehmen darf. Die Art und Weise, wie die Texte vorgetragen werden, ist bei dieser Band von jeher fast so wichtig wie das, was vorgetragen wird.

Regeners Texte werden an dieser Stelle nicht zufällig so exponiert erwähnt. Denn sie sind es, die Lust machen, dieses neue Album überhaupt anhören zu wollen. Davon abgesehen fügen Element Of Crime ihrer knapp 30-jährigen Bandgeschichte, die man hier nicht erneut durchkauen muss, einfach ein weiteres Kapitel hinzu.

Nicht direkt langweilig

Die Kompositionen unterscheiden sich wenig bis gar nicht von Vorherigem. So wie die Dixieland-Kapelle eben auch immer weiter macht, machen auch die vier Berliner Musiker (neben Regener sind das der Gitarrist Jakob Ilja, der Bassist und Produzent David Young sowie der Drummer Richard Pappik) immer weiter – oder sie singen darüber, wie im Song „Immer so weiter“. Man kann dabei nicht mal sagen, dass die Songs langweilig sind. Aber sie klingen, als spiele sich die Band im eigenen Museum ein Ständchen.

Dass ihr Album wieder in der Countryhochburg Nashville entstand, ist stimmig, denn wenn man so will spielen Element Of Crime Countrymusik mit deutschen Texten. Jenes mal schrecklich-schnöde, mal schaurig-schöne Land, das Regener mit sonorer Stimme besingt, liegt dabei unverkennbar irgendwo zwischen Ostfriesland und Berlin-Prenzlauer Berg, wo er heute lebt.

Altbekannte Einflüsse aus Chanson, Schlager, Mariachi, Blues und Jazz klingen an. Vielleicht hört man hier und da noch Shanty raus, liegt doch bei Regener, seit jeher Kopf und Songtexter der Band, das Maritime meist nah.

Das Album

Element Of Crime: „Lieblingsfarben und Tiere" (Universal)

Live: 23.9. München, „Studio 2", Bayerischer Rundfunk 31.10. Potsdam, Nikolaisaal

Regener, dessen Lebensgeschichte und Karriere als Autor und Musiker man hier ebenso wenig von vorne erzählen muss, steht mit seinen Texten im deutschsprachigen Pop weitgehend auf weiter Flur. Seine Sätze, mit denen der 53-Jährige über die Zeilen springt, da ein Vers für ihn meist zu kurz ist, rehabilitieren die deutsche Sprache als gut zu singende Sprache (bisweilen auch – wie im Auftaktstück „Am Morgen danach“ – die norddeutsche Dialektsprache).

Kein Überraschungsmoment

Mit deren Eigentümlichkeiten geht er weiterhin so spielerisch um wie kein anderer (selten stimmt ja diese Phrase, aber hier): „Schön dass du persönlich an der Tür/ Die Klingelleitung testest/ Du hast recht, da ist technisch nicht alles 1a/ Im Schwachstromsignalübertragungsweg/ Gibt es Durchleitungsprobleme/Doch wer wirklich zu mir will, kommt damit klar“, dichtet er im Titelsong. Da es in dem Lied ums Handy-Ausschalten, ums Nichtstun und Zurückziehen geht, heißt es weiter: „Die E-Mails und die Kurznachrichten/ Kannst Du zusammen mit/ Den Excel- und Word-Dokumenten dahin tun/ Wo die Sonne auch an warmen Tagen/ Niemals scheint und wo auch/ Schon die Meetings und die Skype-Kontakte ruhen“.

So ausgefeilt es textlich ist, so festgefahren klingt die Musik – es gibt in den zehn Songs wirklich keinen einzigen Überraschungsmoment.

In einem Interview ließ Regener vor kurzem wissen, dass der Band auch nicht nach Abwechslung zumute war: „Wenn Sie Experimente wollen, sollten Sie ins Chemielabor gehen“. Besser hätte der gebürtige Bremer vielleicht gesagt: Wer Experimente in der Musik will, sollte heute nicht mehr Element Of Crime hören.

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7 Kommentare

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  • Wer erinnert sich noch an Regeners Wutrede im Bayerischen Rundfunk? Er ist doch selbst mittlerweile eine Karikatur seiner selbst geworden. So wie die Stones seit gefühlten 100 Jahren. Er profitiert doch selbst von dem System, dass die Plattenfirmen nur noch Volksmusik, Schlager oder eben Rock für die Alten verkaufen. Ladet euch das Ding einfach zum Probehören runter und den zwei Leuten denen es dann gefällt, die können es ja dann politisch korrekt bei amazon bestellen oder im Plattenladen klauen, aber dann auf Vinyl. Auf Vinyl liegt sogar ein Downloadcode bei, damit man es auf dem neu erworbenen iphone 6 als mp3 hören kann. Wer braucht sowas noch? Den Kram hört mein Vater und der ist über 60. Der hört aber auch Gabalier und Maffay. Wieviele unter 40 kaufen das oder laden sichs runter? Das sind doch Leute (ich kenne das von meinen Musikgruppen), die kaufen sich seit 20 Jahren jedes Album, auch wenn das von vor 21 Jahren schon beschissen war, und stellen es sich nach einmaligen schnell Durchhören ins Regal neben die anderen Platten von Element Of Crime, Tocotronic und Fehlfarben. Aber beim nächsten Klassentreffen kann man sich dann prima als Intellektueller hervortun. Sag mal, die neue von Element Of Crime, boah was der Regener wieder für Texte raushaut. Haste die auch gehört? Nee, du hast die neue von Santiano, ach nee bei sowas höre ich höchstens mal auf spotify rein.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @arribert:

      Hab mir die Rede grad angehört.

      Der Mann hat 100% Recht.

      • @90191 (Profil gelöscht):

        Das bestreite ich nicht, nur ist er Profiteur von diesem System, dass er kritisiert.

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @arribert:

      Wer braucht das? Keiner. Wer hört das? Jeder, der sich für gute deutsche Texte interessiert. Regener ist ein "Hängengebliebener", der den goldenen 90ern nachtrauert. Das kann man aber vielen, die damals groß waren, heute vorwerfen. Schon die neue Phillip Boa & The Voodooclub gehört?

       

      Ich erwarte doch von EoC keine Veränderung als Fan! Ich will, dass alles so bleibt, wie es war. Das ist in diesem Falle wertkonservativ. Die Musik ist solider Countryrock, die Texte gut, mir reicht das. Für Experimente hör' ich dann die neue Aphex Twin, Einstürzende Neubauten oder The Knife - Vielfalt, Baby!

      • @970 (Profil gelöscht):

        Nichts anderes behaupte ich. Ich sag ja, man kauft sich seit 20 Jahren die Platten obwohl man sie objektiv seit 21 Jahren nicht mehr kaufen dürfte. Aber so ist das halt. Mich hat nur sein komischer Wutausbruch im BR damals gestört. Ansonsten darf der mir gemütlich den Buckel runtergleiten.

        • 9G
          970 (Profil gelöscht)
          @arribert:

          Ach, es tut in diesem Fall gut, Werk und Künstler etwas zu trennen. EoC ist angenehme Musik, aber mit Regener persönlich möchte ich nicht geschenkt zu tun haben müssen. Der kommt mir schon in Interviews zu stressig rüber und trägt außerdem diese Krokodilshirts, da muss ich dauernd draufstarren... ;-)

  • Tja ... aber das gab es ja vor gar nicht sooo vielen Alben: das klein wenig anders Klingen auf einem neuen Album - sanfte Überraschungen durch viele Songs hinweg ... und gerade deshalb, kann man nicht das fehlen von Experimenten, sondern die musikalische Einfallslosigkeit heute von EoC schon kritisieren. Ich bin mir nicht sicher, ob man das nur mit dem erwähnen von fehlenden musikalischen Überraschungen schon zur Genüge tut, Herr Uthoff! ;)