Elbtower-Mieter springt ab: Das Kartenhaus wankt
Die Hamburg Commercial Bank sollte größte Mieterin im Hamburger Elbtower werden. Offenbar ist sie schon im Januar vom Vertrag zurückgetreten.
Das war am vergangenen Freitag im Haushaltsausschuss der Hamburger Bürgerschaft zur Sprache gekommen – allerdings erst im nicht öffentlichen Teil, nachdem die Journalist:innen gegangen waren. Die Pressesprecherin der Bank, Katrin Steinbacher, dementiert das nicht, bittet auf taz-Anfrage aber um Verständnis, „dass wir Vertragsangelegenheiten grundsätzlich nicht öffentlich kommentieren“.
Gleich doppelt auf der sicheren Seite hatte sich der Senat gewähnt, als er dem Signa-Konzern den Zuschlag für den Elbtower erteilte – obwohl die Europäische Zentralbank damals schon vor Geschäften mit der Holding des windigen österreichischen Immobilienmoguls René Benko gewarnt hatte.
Einerseits hatte die Stadt sich ein Rückkaufrecht für den Fall gesichert, dass die Projektgesellschaft pleite ginge, das sich ausgesprochen günstig las: Für den Verkaufspreis von 122 Millionen Euro sollte die Stadt das Grundstück zurückerwerben können – und den bis dahin realisierten Bau kostenlos dazubekommen.
Kaum Neuansiedlungen
Zum anderen hatte die Stadt auf eine Vorvermietungsquote von 30 Prozent der geplanten Nutzfläche bestanden. Signa musste dazu Mietverträge vorlegen, bevor der Grundstücksverkauf über die Bühne ging. Unter den Mietern waren aber weniger die erhofften Neuansiedlungen großer Firmen, sondern vor allem Bestandsmieter von Signa: allen voran die HCOB, die aus der milliardenteuren Rettung der vormaligen Landesbank HSH Nordbank durch die Eignerländer Hamburg und Schleswig-Holstein hervorgegangen ist.
Die Bank wollte laut Vertrag mindestens 11.000 Quadratmeter Bürofläche mieten, mit Option auf weitere 2.000. Bei einer Gesamt-Nutzfläche von 79.000 Quadratmetern hätte der Vertrag mit der HCOB allein die Hälfte der geforderten Vorvermietungsquote erfüllt. Ihren bisherigen Hauptsitz in der ehemaligen Landesbank-Passage in der Hamburger Innenstadt hatte die Bank da bereits verkauft – und zwar an Benkos Signa; zu einem für eine sanierungsbedürftige Immobilie sehr guten Quadratmeterpreis von 7.300 Euro, wie Die Zeit vor gut einem Jahr berichtete.
Signa-Pressesprecher Sebastian Schmidt hatte in der Zeit damals noch dagegengehalten, es sei eine „kreditschädigende Unterstellung“, dass die Signa für das Gebäude 220 Millionen Euro gezahlt habe, um die HCOB als Mieter für den Elbtower zu gewinnen.
Die Hamburger FDP-Vize Katarina Blume findet heute scharfe Worte für diesen Deal: „Mit dem Absprung der skandalumwitterten ehemaligen Landesbank kommt ein weiterer Schmuddel-Deal ans Licht“, schreibt sie in einer Pressemitteilung. Mit der Übernahme der „in die Jahre gekommenen HCOB-Immobilie am Gerhart-Hauptmann-Platz zu einem überteuerten Preis“ habe Benko sich „die Vorvermietungsquote erkauft“, kritisiert die Liberale. Ob der Umzug der Bank in den Elbtower tatsächlich je geplant gewesen sei, werde man nie herausfinden.
Die Hamburg Commercial Bank ist die Nachfolgerin der HSH Nordbank, der ehemaligen Landesbank Hamburgs und Schleswig-Holsteins.
Wie viele andere Institute kam die Bank ins Straucheln, weil sie ein neues Geschäftsmodell suchte, nachdem die EU-Kommission die Privilegien der Landesbanken abgeschafft hatte.
In der weltweiten Finanzkrise ab 2008 offenbarte sich, dass die HSH Nordbank in großem Stil immobilienbesicherte Wertpapiere gekauft hatte, deren Bonität durch Tricks der Finanzindustrie geschönt worden war.
Verluste in Milliardenhöhe waren die Folge, für die der Stadtstaat Hamburg geradestehen musste. Zudem hatte die Bank in großem Ausmaß Schiffskredite vergeben, die in der durch die Finanzkrise ausgelösten Wirtschaftskrise reihenweise platzten. Der Schaden für die Steuerzahler betrug mehr als zehn Milliarden Euro.
Unrühmlich verhalten hat sich die Bank auch gegenüber dem Steuerzahler, indem sie den Staat mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften betrog. Hier machte die Bank 2012 aus eigener Initiative reinen Tisch. Trotzdem will die Hamburgische Bürgerschaft mit einem Untersuchungsausschuss die Rolle des Senats bei diesen Geschäften klären.
Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Markus Schreiber bedauert, dass die Bürgerschaft die Verträge über die Vorvermietung seinerzeit nicht selbst geprüft habe. Sonst wären mögliche Ausstiegsklauseln vielleicht aufgefallen. Man habe sich seinerzeit von der hessisch-thüringischen Landesbank Helaba versichern lassen, dass alles in Ordnung sei.
Die Helaba trat aber selbst als sogenannter „tauglicher Finanzierer“ auf, der das Bankenkonsortium zur Finanzierung des Elbtowers zusammenbringen sollte. Sie begutachtete die Verträge zwischen Signa und HCOB somit praktisch im eigenen Interesse. „Wir sollten daraus lernen, dass wir uns nicht wieder über den Tisch ziehen lassen“, sagte Schreiber der taz, „und in solchen Fällen künftig selbst in die Verträge gucken.“
In dieselbe Kerbe schlägt die Linken-Abgeordnete Heike Sudmann: „Wenn die HCOB wirklich vom Vertrag zurückgetreten ist, ist das auch eine Ohrfeige für den Senat.“ Die Beteuerungen des Senats, einen supersicheren Vertrag mit Signa abgeschlossen zu haben, entpuppten sich als „Luftnummer“. Das sei auch kein Wunder: Weder Senat noch Bürgerschaft hätten die Vorvermietungsverträge überhaupt gesehen.
Der Rückzug der HCOB werfe auch die Frage auf, wozu der Elbtower überhaupt weiter in die Höhe gebaut werden sollte, sagt Sudmann. Die Nachfrage nach Büroflächen sinke schließlich weiter. Aus aktuellen Daten des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (VDP) geht hervor, dass in Hamburg die tatsächlichen Verkaufspreise für Büroimmobilien innerhalb eines Jahres um 13,3 Prozent gesunken sind.
Zum Rückkaufrecht, auf das der Hamburger Senat in den vergangenen Wochen immer wieder verwiesen hat, gibt es weiter gegensätzliche Meinungen. Das zeigte sich auch am Freitag im Haushaltsausschuss: Dass der Kaufvertrag ein Wiederkaufrecht nur bei einer Insolvenz, wohlgemerkt, nach der Fertigstellung des Gebäudes vorsieht, hob Sudmann an mehreren Stellen hervor. Der Senat habe also derzeit keinerlei Zugriff, weil er bei der Vertragsgestaltung geschlampt habe.
Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) widersprach dem erneut – betonte aber auch, „den Vertrag in der Gesamtschau“ zu betrachten.
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