Elbjazz im Hamburger Hafen: Jetzt geht es in Richtung Kreuzfahrt
Der Hüftschwung unterm Hafenkran: Beim Hamburger Elbjazz-Festival treffen sich die Best Ager, ohne dabei von zu viel Jugendlichkeit gestört zu werden.
S chlangen überall. Vor der jamaikanischen, mexikanischen und uruguayischen Fressbude stehen die Leute und warten. Vor den Oldschool-Buden mit der Beschilderung „Wurst“ und „Burger“ auch. Überall sind sie hungrig an diesem Freitagabend, und es ist kein Versäumnis der Veranstalter, denn Fressbuden gibt es auf dem Elbjazz-Festival wahrlich genug.
Das Problem ist: Es gibt keine kulinarische Selbstversorgung auf diesem Festival, das es laut Veranstalter auf über 20.000 Besucher*innen bringt. Keine Zeltstadt, in der die Leute sich mit Dosenravioli und Einweg-Grills über Wasser halten.
Denn das Elbjazz-Festival ist ein Festival mitten in Hamburg, hier wird nicht gezeltet, hier wird im Hotel übernachtet oder zu Hause im eigenen Bett. Zugleich ist das Elbjazz-Festival fern jeglicher Gastronomie, denn es findet hauptsächlich auf dem Werftgelände von Blohm und Voss statt. Das ist ein Ort, den alle sehen, die von St. Pauli auf die Elbe blicken, den aber niemand aus der Nähe kennt, weil die Elbe dazwischen und das Firmengelände abgeriegelt ist.
Das Werftgelände ist vor allem eine Betonfläche, in die rostige Stahlbalken eingelassen sind. Darauf stehen Kräne, Container, Hebebühnen, ein altes Bürogebäude aus Backstein und eine Werkshalle, in die die ganz großen Schiffe reinpassen.
Riesige Discokugel schickt Lichtkreise auf Wanderschaft
Beim Elbjazz-Festival befinden sich zwischen den Kränen zwei große Open-Air-Bühnen. Von einem Kran hängt eine riesige Discokugel und schickt abends Lichtkreise auf Wanderschaft. Die Fressbuden umfassen einen Bereich namens „Food Court“.
Das Elbjazz-Festival ist ein Jazz-Festival für ältere Menschen, nachmittags ist der Durchschnitt geschätzte Ü50, gedrückt durch vereinzelt herumlaufende Kinder, die Ü40er mitgebracht haben. Zum Abend hin kommen jüngere Leute dazu, also Ü30. Allen gemein ist, dass sie keine Dosenravioli essen würden, auch wenn sie welche hätten. Das Elbjazz-Publikum blickt auf Arte- und NDR-Kultur-Werbung, es kann 6,50 Euro für ein Bier und 10 Euro für Falafel im Brot bezahlen und hätte vermutlich Schwierigkeiten, in einer Ravioli-Notsituation den Dosenöffner auf Anhieb richtig in Anschlag zu bringen.
Es gibt insgesamt vier Bühnen, eine in der Werfthalle, drei open air. Was da geboten wird, ist genremäßig dem Jazz oft entrückt und qualitativ in der Regel weit vorne. Salomea beispielsweise macht wilden TripHop, die Leute tanzen zwischen den Stuhlreihen. Das Duo Domi (Keyboards) und JD Beck (Schlagzeug) bringt Breakbeat mit High Speed-Bebop zusammen. Die Marching-Band Die Meute stellt mit leibhaftigen Bläsern und Trommlern Techno her. Und Derya Yıldırım kombiniert anatolische Folklore mit entspannten Funk-Grooves.
Ab und zu gemischt mit swingendem Schlagzeug
Und ja, ab und zu macht auch jemand Jazz ohne elektronische Sounds, mit swingendem Schlagzeug und Saxofon und Soli. Kann sein, dass das den Traditionalisten zu wenig ist. Für alle anderen ist das Programm eine ambitionierte Mischung aus künstlerischer Avantgarde und veredelter Tanzbespaßung.
In seinen Anfangstagen fand das Festival verteilt über den ganzen Hafen statt, die Leute fuhren mit Bussen und Barkassen zu den Spielorten. Mittlerweile gibt es nur noch drei Bühnen außerhalb des Werftgeländes, einer davon ist die Elbphilharmonie. Außerdem kooperiert das Festival nun mit TUI-Cruises und will nächstes Jahr eine Jazz-Kreuzfahrt anbieten.
Das ist verwunderlich, denn wenn man sich das Elbjazz-Publikum anschaut, dann traut man ihm zu, dass es Kreuzfahrten uninteressant bis verwerflich findet und eher bei der Gegendemo als am kalten Buffet zu finden ist. Mit dem Festival ist es also ein bisschen wie mit den Grünen: Anfangs wild, mittlerweile arriviert und in der Gefahr, den inneren Kompass zu verlieren.
Der Hauptact war dann die Jazzkantine, die wenig aufregend die Hits vergangener Tage auftischte. Bei der TUI-Kreuzfahrt soll sie für das Musikprogramm sorgen. Auch eine Art, von der künstlerischen Bildfläche zu verschwinden.
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