Eklat im Schweriner Landtag: NPD pöbelt gegen "Schuldkult"
Die Rechtsextremen im Schweriner Landtag weigern sich, für eine Schweigeminute zum Gedenken an Hitlers Machtergreifung von ihren Plätzen aufzustehen.
HAMBURG taz Vorne rechts vom Präsidium aus sitzt die NPD im Schweriner Landtag. Dort blieben die sechs Abgeordneten um den NPD-Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs am Mittwoch auch sitzen. Zu der Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus standen sie nicht auf. Gezielt suchte die Fraktion den Eklat im Landesparlament von Mecklenburg-Vorpommern.
Anlässlich des 75. Jahrestags der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 hatte Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) die Abgeordneten für eine Schweigeminuten gebeten, sich zu erheben. Zu Beginn der Sitzung sagte sie: "Der 30. Januar 1933 steht für das Ende von Freiheit und Meinungsverschiedenheit." Terror und Gewalt seien die Folge gewesen, sagte sie auch zum Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 63 Jahren. Hitlers Machtübernahme müsse eine Mahnung sein, antidemokratische Tendenzen zu bekämpfen. Zu viel Erinnerung und Mahnung für die NPD: Ihr Abgeordneter Michael Andrejewski warf den anderen Parteien vor, das Gedenken für "taktische Spielchen und Selbstinszenierung" zu missbrauchen: "Da machen wir nicht mit." Stefan Köster, NPD-Fraktionsgeschäftsführer, rief, dass die Landtagspräsidentin ihr Mandat niederlegen sollte. "Sie schaden der Demokratie."
Die Fraktionschefs von CDU, SPD, Linker und FDP berieten darauf, ob das Verhalten der NPD nach der Geschäftsordnung sanktioniert werden kann. Die NPD-Fraktion berief den Ältestenrat ein und beantragte eine Sitzungsunterbrechung. Eine Stunde lang wurde die Sitzung unterbrochen. Pastörs beschwerte sich über eine erneute "Eigenmächtigkeit der eigentlich zur Neutralität verpflichteten Landtagspräsidentin". Wie von der NPD nicht anders zu erwarten, erklärte ihr Fraktionschef: "Die NPD-Fraktion ist nicht bereit, sich am einseitigen Schuldkult zu beteiligen. Auch wir Deutschen hatten Opfer, insbesondere die unzähligen Toten nach den angloamerikanischen Terrorangriffen auf unsere Städte sowie die Millionen Opfer von Flucht und Vertreibung." Das Verhalten der NPD, betont SPD-Fraktionsvorsitzender Volker Schlotmann, "hat ihr wahres Gesicht gezeigt und keinen Zweifel daran gelassen, wo ihre ideologischen Wurzeln liegen" Die NPD-Abgeordneten offenbarten, dass ihnen die "parlamentarische Demokratie keinen Pfifferling wert" sei. "Ihr mangelnder Respekt vor den Opfern der NS-Zeit ist empörend", sagte Schlotmann.
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