Eiskunstlauf als Politikum: Ein Dopingfall im Rampenlicht
Kamila Walijewa lieferte die große Herz-Schmerz-Geschichte der Olympischen Winterspiele. Jetzt ist die Russin zurück auf dem Eis.
Sie begann ihre Vorstellung mit Einspielungen aus Nachrichtensendungen, die sich mit ihrem Fall beschäftigten, und beendete ihre Kür, indem sie sich eine schwarze Kapuze über den Kopf gezogen hat. Unter einer solchen hatte sie ihr Gesicht auch verborgen, um in der Mixed Zone bei den Spielen von Peking den neugierigen Journalisten zu signalisieren, dass sie nichts sagen möchte. Die hatten viele Fragen, von denen etliche bis heute nicht beantwortet sind.
Während der Spiele war bekannt geworden, dass Walijewa früher in der Saison positiv auf ein verbotenes Herzmedikament getestet worden war. Wäre sie zu diesem Zeitpunkt nicht erst 15 Jahre alt gewesen, sie wäre schnell suspendiert worden. So aber stand sie unter dem besonderen Schutz der Antidopingbestimmungen für jugendlichen Athletinnen.
Die Spiele gingen mit ihr weiter. Ihr Fall war das Politikum der Spiele, was in ihrer Heimat als typisches Beispiel für Russophobie interpretiert wurde. Walijewa, die in der olympischen Saison besser gelaufen war als alle Konkurrentinnen, durfte also im Einzelwettbewerb starten. Vor den Augen einer entsetzten Weltöffentlichkeit hielt sie dem immensen Druck nicht stand, konnte die wichtigsten Sprünge ihrer Kür nicht stehen und verließ weinend die olympische Eishalle.
Nun läuft sie also wieder. Und mit der Inszenierung von Moskau schreibt sie die Geschichte, die in Peking so viele Menschen bewegt hat, weiter. An der Bande in Moskau stand Trainerin Eteri Tutberidze, die als Mädchenschinderin in der Szene verschrien ist und die in Peking von IOC-Präsident Thomas Bach kritisiert worden war, weil sie Walijewa nach deren desaströser Kür nicht angemessen getröstet hatte. Tutberidses Idee sei es gewesen, die olympischen Vorkommnisse in der Kür zu thematisieren, meinte Walijewa nach dem Wettbewerb.
Geschickte Inszenierung
Es ist gewiss kein schlechter Kniff, Walijewa als tragische Heldin zu inszenieren. Noch kursieren die Berichte über die erste Anhörung zu dem Fall während der Olympischen Spiele, nach denen von russischer Seite behauptet wurde, Walijewa habe versehentlich ein Herzmedikament ihres Großvaters eingenommen. Nun darf man gespannt sein, ob bei neuen Anhörungen ähnlich Originelles herauskommen wird.
Die sollen nun durchgeführt werden, nachdem die russische Antidopingagentur Rusada ihre Untersuchungen zu dem Fall abgeschlossen hat. Was dabei herausgekommen ist? Man weiß es nicht. Vielleicht wird Walijewa das Ergebnis bei einem ihrer nächsten Auftritte ja aufs Eis tanzen. Eteri Tutberidse wird bestimmt etwas dazu einfallen.
Die Präsenz der Trainerin in Moskau ist ebenfalls ein starkes Zeichen im traditionell hochpolitisierten Eiskunstlaufsport. Im Sommer hatte sie sich länger in den USA aufgehalten, wo sie lange gelebt hat. Schnell wurde spekuliert, sie könne in die Staaten wechseln. Dort trainiere schließlich auch ihre Tochter Diana Davis. Die bildet zusammen mit ihrem Ehemann Gleb Smolkin ein Eistanzpaar und ist für Russland bei den Spielen in Peking angetreten.
Weil Davis vor 19 Jahren in Las Vegas geboren wurde, besitzt sie neben der russischen auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Wechselt sie nun den Verband? Auch darüber wird vor allem in den USA heftig diskutiert. In der Tat hat Davis sich einem Klub in den USA angeschlossen. Auch ihr Partner Gleb Smolkin ist seit Kurzem Mitglied in einem US-Klub. Damit erfüllen sie die Voraussetzungen, um bei US-Wettkämpfen an den Start zu gehen.
Doch die Namen der beiden, die bei internationalen Wettbewerben nicht startberechtigt sind, solange sie für Russland gemeldet sind, fehlten am Ende doch auf der Startliste des Challenge Cup von Ardmore am vergangenen Wochenende. Auch für die Wettkämpfe in Moskau hat sich das Paar abgemeldet. Die nötigen Reisedokumente für Smolkin hätten gefehlt, teilte Davis über Social Media mit. Noch also sind die beiden kein US-Paar, für Russland wollen sie sich wohl auch nicht entscheiden. Ein interessanter Tanz neben dem Eis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour