Eisbären in bewohnten Gebieten: Invasion der hungrigen Bären
Am Nordpolarmeer dringen immer mehr Eisbären in bewohnte Gebiete. Der Klimawandel und Abschüsse erhöhen den Druck auf die bedrohte Art.
Heute leben rund 2.500 Menschen auf Nowaja Semlja, die meisten gehören der Urbevölkerung, den Nenzen, an. Sie leben von der Fischerei und der Pelzjagd auf Polarfüchse. Daneben wird Kupfer und Steinkohle auf der Doppelinsel abgebaut, und bis 1990 fanden dort 130 Kernwaffenversuche statt. Noch immer sind Teile der Doppelinsel radioaktiv verseucht.
Die Nord- und die Südinsel haben zusammen mit vielen kleineren Inseln eine Fläche von 90.650 Quadratkilometern und eine Länge von 900 Kilometern. Es gibt keine Zählung der dortigen Eisbärenpopulationen aus der Luft, aber allein in der Nähe des Hauptortes Beluschja Guba wurden 52 Eisbären gezählt. Einige Bären würden Menschen „regelrecht jagen“, sagte der Chef der örtlichen Verwaltungsbehörde, Schiganscha Musin. Er lebe seit 1983 auf der Insel, aber so viele Bären habe er noch nie erlebt.
Auf Nowaja Semlja finden sich immer mehr Eisbären ein: „Es sind zu viele Tiere, deshalb haben die Behörden auf der russischen Doppelinsel im Nordpolarmeer den Notstand ausgerufen“, berichtete die „Tagesschau“ vor zwei Tagen. In Kanada nehmen ihre Populationen dagegen dramatisch ab, dennoch treibt der Hunger die Eisbären auch hier immer öfter in die Nähe von Siedlungen. Auf einer WWF-Internetseite heißt es: „Bei den Siedlungen treffen die Eisbären auf Menschen, die mit dem Problem heillos überfordert sind. Gelingt es uns nicht, diese fatale Entwicklung zu stoppen, werden auch die letzten Eisbären bald Geschichte sein.“ In ihrer Not erbeuten sie nun auch Delfine, wie Forscher erstmals beobachtet haben, und gelegentlich fressen sie sich laut „Spiegel Online“ gegenseitig.
Abschuss trotz sinkender Bären-Population
In der Beaufordsee in Alaska und im Nordwesten Kanadas ist die Zahl der Eisbären laut WWF seit Beginn des Jahrhunderts um rund 40 Prozent zurückgegangen. 2004 wurden noch 1.500 Eisbären gezählt. Zuletzt waren es nur noch 900. Mit Unterstützung des WWF Deutschlands erhoben Wissenschaftler neue Bestandszahlen in der kanadischen Hudson Bay, indem sie Luftaufnahmen anfertigten und auswerteten. Die im Arctic Journal veröffentlichten Zahlen sind demnach im Vergleich zum Jahr 2014 von 943 auf 780 Individuen gesunken. „Jetzt geht es den Eisbären dort auch zahlenmäßig an den Kragen, da die älteren Tiere sterben und weniger Junge nachkommen,“ sagte die Arktisexpertin beim WWF Deutschland, Sybille Klenzendorf.
In Russland sind Eisbären ganzjährig geschützt, aber auf Nowaja Semlja erwägt man nun, sie durch Abschüsse von den Siedlungen zu vertreiben. Während der WWF fordert, „dass wir das Tempo beim Klimaschutz drastisch erhöhen müssen. Nur dann haben die Eisbären eine Überlebenschance.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen