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Einzelfälle?

Im Mai 1989 will die Journalistin Helga Ballauf im Auftrag der Nachrichtenagentur AP über die Trauerfeierlichkeiten für den Exminister Hermann Höcherl (CSU) in Regensburg berichten. Die notwendige Akkreditierung wird ihr jedoch verweigert. Auf inoffiziellem Wege erfährt sie, daß Verfassungsschutzinformationen über sie der Grund dieser Verweigerung waren. Unter dem Druck einer Klage muß das bayerische Innenministerium schließlich zugestehen, daß die beim dortigen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) gespeicherten Daten „nicht geeignet waren und auch in Zukunft nicht geeignet sind, Sicherheitsbedenken hinsichtlich Ihrer Teilnahme an Staatsakten zu begründen“.

Die Auskunft nützt Ballauf allerdings wenig, denn ihren Job bei AP hatte sie bereits verloren, da sie für die Agentur als „nur beschränkt einsatzfähig“ galt. Ungewöhnlich rasch für einen derartigen Verwaltungsgerichtsprozeß erhält sie Aktenauskunft, die ihr Anwalt treffend mit einem einzigen Wort charakterisiert: „Schrott“.

Ein Sieg des Rechtsstaats? Wieder weit gefehlt, denn das Gericht stellte zur Zulässigkeit der Datensammlung fest: „Ein Anfangsverdacht kann [...] zur Einspeicherung auch von Daten führen, die nichts Ehrenrühriges enthalten oder sich hinterher als unrichtig oder harmlos herausstellen.“ Revision gegen sein Urteil hat der Gerichtshof nicht zugelassen.

1993 entwickelte das Bundeskriminalamt (BKA) eine „neue Konzeption“, nach der „verstärkt Kontakte zu sogenannten ,Vertrauensjournalisten‘“ geknüpft werden sollen. Dafür wurde der Haushalt des BKA für „Presse- und Informationsveranstaltungen“ im letzten Jahr um 30.000 Mark aufgestockt – das Doppelte des bisherigen Ansatzes.

So etwas hat Tradition.

So waren die Pressekonferenzen im Gästehaus der niedersächsischen Landesregierung Anfang der achtziger Jahre etwas recht Exklusives: TeilnehmerInnen wurden handverlesen und durch das Landeskriminalamt überprüft. Schon bei der Planung eines Medienauftrittes des damaligen Landesvaters Ernst Albrecht (CDU) wurde das LKA seitens der Protokollabteilung eingeschaltet.

Daß man liebgewordene Bräuche nicht ohne Not aufgibt, demonstrierte etwa zeitgleich auch der damalige Berliner Polizeipräsident Klaus Hübner (SPD). Von seinen monatlichen Pressegesprächen schloß er die taz aus. Als ihm dies per Gerichtsbeschluß untersagt wurde, stellte er die Veranstaltung ein.

Ach ja! Der Verfasser selbst bemüht sich beim Berliner Verfassungsschutz seit rund acht Jahren um Aktenauskünfte zu seiner Person.

Was ihm bislang präsentiert wurde, ist sämtlichst unter dem Rubrum Albernheiten abzuheften. Aus inoffiziellen Quellen heißt es: „Natürlich gibt es mehr.“ Einzelfälle! Einzelfälle?

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