Eintracht Frankfurt personalisiert Tickets: Sitzplatzverweis für Stammfans
Eintracht Frankfurt wurde zur Ausgabe personalisierter Stadiontickets verpflichtet. Ist die Sicherheitsmaßnahme reiner Aktionismus?
Am Samstag musste Eintracht Frankfurt ohne seine Ultra-Fans klarkommen. Deren angestammter Platz, Block 40, war vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) gesperrt worden, nachdem beim Pokalspiel aus dem Frankfurter Block heraus mit Leuchtspur in den Zuschauerbereich der Magdeburger geschossen worden war. Allerdings waren die Verantwortlichen für die Leuchtspurattacke zu diesem Zeitpunkt bereits ermittelt – offenbar nach Hinweisen aus der Fanszene selbst. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nun auch die Geldstrafe, die Eintracht Frankfurt bezahlen muss, in vollem Umfang an die Verursacher weitergereicht werden.
Dennoch veranlasste der DFB die Blocksperre und sprach eine weitere Kollektivstrafe aus. Die Eintracht muss in der Rückrunde „personalisierte“ Tickets für ihre Auswärtsspiele ausgeben. Ein Fan, der sein Team zur Auswärtsfahrt nach Leipzig oder Gelsenkirchen begleiten will und nicht bereit ist, seinen Namen auf das Billett drucken zu lassen, ginge dann leer aus. Man wolle „ein gewisses Zeichen setzen“, begründete Kontrollausschusschef Anton Nachreiner die Maßnahme.
„Wenn personalisierte Tickets ausgegeben wurden, hat das bisher im Chaos geendet“, sagt Rainer Vollmer vom bundesweiten Fannetzwerk „Unsere Kurve“. Er erinnert an das Niedersachsenderby 2014, bei dem Braunschweiger Fans, die in Hannover wohnen, erst nach Braunschweig fahren mussten, um dort ihr Ticket in Empfang zu nehmen, um dann wieder nach Hannover zu fahren. Für völlig wirkungslos hält auch Eintracht-Vorstand Axel Hellmann die Maßnahme. „Nichts von dem, was der DFB verhindern will, wird dadurch verhindert.“
Bei den meisten Vereinen könne man problemlos Tickets für alle anderen Stadionbereiche außer dem Gäste- und Heimblock erwerben, auch Onlineportale führen ein breit gefächertes Sortiment. „Mir ist lieber, ich weiß, wo die eigenen Fans sind, als dass sie auf allen Tribünenseiten verteilt sind“, sagt Hellmann „Je näher die Vertreter der Verbände an der Praxis sind, desto eher wissen sie, dass so etwas nichts bringt. Der DFB denkt das letztlich nicht zu Ende.“ Das darf man als indirektes Lob für den Ligaverband DFL verstehen, dessen Vertreter sich wie Geschäftsleiter Ansgar Schwenken stets skeptisch zu personengebundenen Tickets geäußert haben.
Und wenn mal einer krank ist?
„Was macht ein Fanclub, der 50 personalisierte Karten bestellt, und am Spieltag sind vier Fans krank? Muss er die dann verfallen lassen?“, fragt Michael Gabriel. Dem Leiter der Koordinierungsstelle der Fanprojekte konnte „noch niemand erklären, warum das für mehr Sicherheit sorgen soll“. Er befürchtet, dass „so nur die Fans vor den Kopf gestoßen werden, die die Vereine auch im Sinne einer positiven Fankultur unbedingt brauchen.“
Allerdings, und das ist auch Teil der Wahrheit in der Diskussion um Faninteressen und Sicherheit, gibt es durchaus auch aktive Fans, die einer Personalisierung positiv gegenüberstehen. Einige Vereine – offizielle Bestätigungen dafür gibt es nicht – geben offenbar en bloc größere Karten-Kontingente an die Ultras aus, zu Lasten anderer Fans, die manchmal monatelang kein Auswärtsticket bekommen, obwohl sie seit Jahren Dauerkarteninhaber oder Mitglied sind.
Es sind wohl also vor allem praktische Gründe, die gegen die personalisierten Billetts sprechen. Sicherheitsexperten und Fanvertreter gehen deshalb davon aus, dass es bis zu zwei Stunden länger dauern würde, wollten die Ordner neben dem obligatorischen Sicherheitscheck durch gründliches Abtasten und der Kontrolle der Eintrittskarte auch die Ausweise mit den Tickets abgleichen – zumal sich bei Streitfällen oft minutenlange Diskussionen ergeben.
Wie sagte ein französischer Ordner am Stade de France doch so schön bei einem EM-Spiel in diesem Sommer: „Politiker und Fußballverbände freuen sich, wenn die Presse ihre tollen neuen Sicherheitskonzepte lobt. Ob die vor Ort umgesetzt werden können, interessiert dann niemanden mehr.“ Bei der Europameisterschaft gab es personalisierte Tickets, ob die auch den Namen des Inhabers trugen, hat aber niemand kontrolliert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!