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Eintauchen im GefängnisbesuchsraumMacken vom Knast

Kolumne
von Frédéric Valin

Auf knast.net schreiben sich die Freundinnen von Häftlingen den Frust von der Seele. Manch eine weiß nicht einmal, wie lange ihr Liebster sitzen muss.

Selten wird Organisatorisches geklärt, wie: den Fernseher mitbringen. Bild: Maria Kokina

M eistens endet die Gerichtsberichterstattung mit dem Urteilsspruch. Wird vom Richter eine Haftstrafe verhängt, verschwinden die TäterInnen von der Bildfläche, und es gibt kaum eine Gelegenheit, sich mit ihnen als Gefängnisinsassen auseinanderzusetzen.

Und die Angehörigen von Knastbewohnern? Die finden in der Öffentlichkeit erst recht so gut wie gar nicht statt. Eine der raren Ausnahmen ist knast.net, eine Seite, die neben vielen Informationen über Vollzugsanstalten, Rechtstexten, praktischen Tipps und Berichten von Gefangenen auch ein Forum nur für sie bereithält. Aus den Einträgen spricht die Einsamkeit.

Es sind vor allem junge Frauen, die hier reinschreiben, weil ihr Freund jetzt hinter Gittern sitzt - für anderthalb Jahre, für neun Monate. Manchmal wissen die Frauen noch nicht einmal genau für wie lange.

Die ganzen Unsicherheiten, die sie belasten: Was ist eigentlich genau passiert? Wo kommt mein Freund denn überhaupt hin? Erhält er die Briefe, die ich ihm schreibe? Wie wird es sein, wenn er rauskommt? Gibt’s dann noch eine gemeinsame Zukunft? „die männer die haben doch macken vom knast.“

Es sind selten konkrete Fragen, die hier gestellt werden, es kommt kaum einmal vor, dass Organisatorisches (wie: einen Fernseher mitbringen) abgeklärt wird; es spricht aus den meisten Beiträgen nur eine allgemeine Hilflosigkeit, eine anrührende Traurigkeit, manchmal aber auch viel Mut und Hoffnung.

22 Uhr Nachtruhe

Die Berichte der Strafgefangenen selbst sind Momentaufnahmen einer sehr speziellen Situation; Zu lesen gibt es ihren Werdegang, zum Beispiel den von Oliver oder Martin oder Manuel, und sie alle klingen gleich: zerrüttetes Elternhaus, trinkender oder abwesender Vater, Schläge zu Hause, Schulschwänzereien, Gewaltausbrüche, Alkohol, kleine Diebstähle, am Ende eben das Gefängnis. Und bei allen der Wunsch, nach Verbüßung der Haft ein straffreies Leben zu führen.

Über den Alltag und die Zwänge im Gefängnis steht hier wenig. Die Schilderung eines Tagesablaufs bietet einen kleinen Einblick: Sechs Uhr Wecken, Frühstück, von sieben bis zwölf Arbeit, eine Stunde Mittag, dann weiterarbeiten bis vier, eine Stunde Hofgang, Abendessen, Aufschluß bis 21 Uhr. 22 Uhr Nachtruhe.

Wie sehr bei Gefangenen das Gefühl vorherrschen muss, endgültig ausgeliefert zu sein, lässt ein Artikel von Clemens Weber erahnen, der die Konsequenzen eines Anstaltsleiterwechsels in der JVA Diez beschreibt: Plötzlich müssen sich Angehörige und Freunde drei Wochen vorher anmelden, was für Langzeitinhaftierte zur Konsequenz hat, dass sie häufig keinen Besuch mehr bekommen.

Obendrein sollen hohe Trennscheiben eingebaut werden, um Gefangene und Besucher zu separieren; kein Körperkontakt mehr, keine Küsse, keine Umarmung, auch nicht mit den eigenen Kindern. Und das, obwohl der Strafvollzug der Wiedereingliederung dienen soll.

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10 Kommentare

 / 
  • O
    Opfer

    @Petra

     

    Wir alle sind die Opfergruppe, wenn nach jahrelanger und teurer Unterbringung im Knast Kriminelle traumatisiert statt resozialisert wieder in die Freiheit entlassen werden.

    • H
      Harry
      @Opfer:

      Mir kommen gleich die Tränen ...

    • P
      Petra
      @Opfer:

      Ja natürlich gehört in Deutschland jeder Mensch mindestens einer Opfergruppe an, das wissen wir doch.

       

      Die Welt ist schlecht, Deutschland besonders und die politische Mentalität, insbesondere der Linken, lautet: Jammern ist in!

  • P
    Petra

    Ooooh, wieder eine Opfergruppe mehr in diesem Land: die Frauen der Straftäter.

     

    Vielleicht gründen sie eine Selbsthilfegruppe; vielleicht sollten sie demonstriren gehen gegen die Ungerechtigkeit, die sie ertragen müssen; vielleicht gehen sie zu Herrn Gauck und klagen ihm ihr Leid und den Staat gleich mit an; vielleicht veröffentlichen sie Rührstücke und machen den Reibach, während ihre "Liebsten" inhaftiert sind.

     

    Liebe taz, dieser Artikel war mal wieder überflüssig!

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Der Artikel liest sich wie ein Rosamunde Pilcher Roman: Junge Menschen vom Schicksal getroffen und einer feindlichen Umwelt ausgeliefert, kämpfen gegen ein unmenschliches System...

     

    Ich kann kaum die Tränen unterdrücken, wie kann man Kriminellen nur so etwas antun?

    • S
      Schnief
      @738 (Profil gelöscht):

      Auch mir rollen die Kullertröpfchen die backen runter. Wir sollten uns mit dem Autor an den Händen nehmen, die armen Leutchen aus dem Knast dazuholen und die Probleme wegtanzen.

       

      P.S.: Es liegt übrigens alles am Kapitalismus. Früher hätte es das nicht gegeben.

  • M
    mir

    Euren Links fehlen die Doppelpunkte, damit sie funktionieren (https:...)

     

     

     

    (oder liegt das an meinem Browser?)

  • M
    MaterialismusAlter

    Danke für einen Artikel zu diesem von der Gesellschaft verdrängten Thema.

     

    Dieser Staat sperrt zu einem Großteil einfach nur diejenigen weg, die das Wirtschaftssystem, das er verteidigt, zu Kriminellen macht. Kriminalität ist ein sozialer Prozess in dem sich die Machtstrukturen einer Gesellschaft Ausdruck verschaffen: Möchte man etwas über einen Staat erfahren, sollte man in seine Knäste schauen.

  • A
    Alufoliehut

    Hinweis:

     

    Der Link zu knast.net ist so nicht aufrufbar, da zwischen dem https und dem // ein Doppelpunkt fehlt.

     

     

     

    Hier der Richtige Link: https://www.knast.net

  • EG
    Ein Gast

    Warum ist die Seite nicht erreichbar?