Einstufung als gesichert rechtsextrem: AfD verklagt Deutschland
Nach der Hochstufung klagt die AfD gegen den Verfassungsschutz. Der Druck auf Beamte in der Partei steigt, Bremen will ein Verbotsverfahren.

Nominell klagt die AfD vor dem Verwaltungsgericht Köln auf Unterlassung gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das in der Stadt sitzende Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Behörde dürfe die Partei nicht als gesichert rechtsextremistische Bestrebung führen, prüfen und diesen Befund veröffentlichen. Die Einordnung und Veröffentlichung sei rechtswidrig gewesen, so die AfD. Zudem beantragt sie eine einstweilige Anordnung dagegen.
Die Rechtsextremen lassen sich in dem Verfahren erneut von der Kanzlei Höcker vertreten, bei der auch kurzzeitig der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen tätig war. Bisher hat der Verfassungsschutz fast alle Verfahren zu Einstufungen gewonnen. Das Gutachten macht nun auf 1.100 Seiten die Verfassungswidrigkeit der AfD an der „die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei“ fest.
Die Nervosität dürfte nach der Hochstufung insbesondere bei Beamt*innen innerhalb der Partei steigen. Die nämlich haben einen Eid auf die Verfassung geschworen und sind trotz der Radikalisierung der letzten elf Jahre noch immer oder gar neu in der Partei. Teile einer internen Handreichung aus dem März 2024 zur Beruhigung von AfD-Mitgliedern im Staatsdienst sind mit der Hochstufung obsolet. Darin heißt es noch, dass sich Mitglieder keine Sorgen machen müssten: Man sei ja nur Verdachtsfall und ansonsten solle man sich halt verfassungskonform verhalten.
Aber auch dort hat die Partei bereits vorgebaut: Auch eine Hochstufung führe nicht automatisch dazu, dass Beamt*innen entlassen würden, Bezüge bedroht seien oder Disziplinarmaßnahmen drohten. Es komme maßgeblich darauf an, ob ein Beamter oder eine Beamtin die Verfassungstreuepflicht schuldhaft verletze, heißt es in dem Papier.
Status: Es ist kompliziert
Der Verfassungsrechtler Andreas Fischer-Lescano begrüßt die Hochstufung, wie er auf taz-Anfrage sagte. Mit Blick auf Folgen für Staatsbedienstete wie Lehrer*innen, Richter*innen und Polizist*innen sei die Lage allerdings kompliziert. Ein AfD-Parteibuch lege zwar einen Widerspruch zu ihrer Verfassungstreuepflicht nahe, es bleibe aber „natürlich dabei, dass es keinen Automatismus zur Entlassung gibt, da es immer auf den Einzelfall ankommt. Ich wende mich auch gegen eine automatische Überprüfung, das wäre ja eine Neuauflage des Radikalenerlasses.“
Aus seiner Sicht steigere sich durch die Hochstufung noch einmal deutlich der Rechtfertigungsdruck, sagt Fischer-Lescano. Insbesondere Funktionäre dürften es nun schwerer haben, in ihre Berufe zurückzukehren. „Aber auch einfache Mitglieder könnten nicht mehr sagen, dass sie von nichts gewusst hätte – sie waren Teil einer behördlich eingestuften rechtsextremen Organisation, auch wenn diese noch nicht verboten ist.“
Fischer-Lescano plädiert dafür, dass Behörden bei Hinweisen auf eine verfassungswidrige Haltung in jedem Fall durchgreifen sollten. Beim Waffenrecht wäre er sogar für eine systematische Zuverlässigkeitsprüfung von Personen mit Blick auf Rechtsextremismus. Insgesamt bedürfe es einer Gesetzesreform, um einen besseren Umgang mit Rechtsextremen im Staatsdienst zu finden.
Dass beispielsweise das Land Hessen meine, den in Hessen verbeamtete Lehrer Björn Höcke – seines Zeichens Kopf des völkischen AfD-Flügels – nicht aus dem Staatsdienst entlassen zu können, nur weil er derzeit ein Abgeordnetenmandat innehat, hält Fischer-Lescano gerade angesichts der neuen Entwicklungen für skandalös.
Druck für Verbot steigt weiter
Konkrete Reformvorschläge hatte bereits die ehemalige sächsische Jusitzministerin Katja Meier von den Grünen nach ihre Erfahrung mit der Rückkehr des rechtsextremen AfD-Richters Jens Maier in den sächsischen Richterdienst gemacht. Angesichts von bestehenden Regelungslücken und Hürden, um den überaus radikal auftretenden Maier aus dem Dienst zu entfernen, hatte sie diverse Verbesserungsvorschläge beim Vorgehen gegen Extremist*innen im Staatsdienst vorgelegt. Maiers Suspendierung war letztlich erfolgreich, allerdings hat er seine Pension behalten. Nun stellen sich die selben Fragen auf Bundesebene. Die Innenministerkonferenz will sich mit dem Thema im Juni befassen.
Auch der Druck für ein Verbotsverfahren steigt nach der Hochstufung weiter: Die rot-rot-grüne Landesregierung in Bremen drängt mit einem Dringlichkeitsantrag auf ein Verbotsverfahren. Neben dem Dialog mit der neuen Bundesregierung will Bremen eine Bundesratsinitiative starten. Der Bundesrat ist ebenso antragsberechtigt wie der Bundestag und die Bundesregierung. Zuvor hatte bereits der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther ein Verbotsverfahren gefordert. Teile der CDU und auch die Landesregierungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten sich bislang eher skeptisch bis vorsichtig geäußert.
Die designierte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) rechnet jedenfalls damit, dass sie ein mögliches AfD-Verbot „massiv beschäftigen“ werde, wie sie am Montag sagte. Sie wolle das Gutachten genau auswerten. Die Bundesregierung werde sich mit den Ländern abstimmen. Eine wehrhafte Demokratie werde gegen demokratiefeindliche Kräfte vorgehen, wenn die Voraussetzungen dafür vorlägen.
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