Einsatz bei Rechtsextremen: Razzien bei der Kameradschaft
In Bayern gehen die Behörden gegen das „Freie Netz Süd“ vor. Am Ende könnte es auf ein Verbot der Gruppe mit rund 350 Sympathisanten hinauslaufen.
HAMBURG taz | Am Mittwochmorgen bekamen Führungskader des „Freien Netz Süd“ (FNS) unerwarteten Besuch. In allen Regierungsbezirken Bayerns durchsuchten Polizeibeamte die Wohnungen und Arbeitsstätten der Rechtsextremen. „Ziel ist es, die Strukturen dieses Netzwerks weiter aufzuklären und Beweismaterial für ein Vereinsverbot zu sammeln“, sagte das Innenministerium in München.
„Der Scheiß war lange zu erwarten“, hieß es bereits am Morgen auf dem rechten Internetportal „Altermedia“ – und auch: „Solidarität mit dem System-Opfer“. In der Szene wird das Netz um Matthias Fischer, Norman Kempken und Tony Gentsch wegen seine Aktivitäten, Mobilisierungsfähigkeit und Radikalität sehr geschätzt.
Über 700 Polizisten waren bei der Razzia im Einsatz. Die Aktion war die größte vereinsrechtliche Maßnahme gegen Rechtsextreme, die es je in Bayern gab. Die Beamten durchsuchten an die 70 Objekte. Im Münchner Stadtteil Obermenzing dabei auch ein Haus, in dem während des aktuellen NSU-Verfahrens einer der dortigen Beschuldigten, André E., gewohnt haben soll. Im Adressbuch des toten NSU-Mitglieds Uwe Mundlos findet sich zudem der Name des FNS-Kopfes Matthias Fischer.
Am Mittwochnachmittag sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf einer Pressekonferenz: „Betroffen vom Einsatz war der größte Teil der führenden bayerischen Neonaziszene.“ Die Beamten hätten umfangreiches Beweismaterial wie Propagandaschriften, PCs und andere Datenträger beschlagnahmt. Vereinzelt seien zudem Waffen gefunden worden. Herrmann betonte: „Wenn es das Material hergibt, werden wir das ’Freie Netz Süd‘ verbieten.“
150 gehören zum harten Kern
Das FNS hatte versucht, sich nicht als festgefügte Struktur darzustellen, um ein mögliches Verbot abzuwenden. Auf der eigenen Website bezeichnet man sich als „nationales politisches Infoportal für Bayern, Franken, Schwaben und die Oberpfalz“.
Doch Links zu fast 30 Gruppen offenbaren, dass das Netz nicht bloß im virtuellen Raum agiert. An die 350 Sympathisanten und einen harten Kern von 150 Kadern soll das FNS haben, das seit Jahren Aufmärsche, Sonnenwendfeiern, Wanderungen und Kampagnen organisiert. Anhänger des Netzes sollen an Überfällen beteilt gewesen sein. Seit 2008 pflegt das FNS, das sich NPD-kritisch gibt, beste Kontakte zu Rechtsextremen nach Thüringen und Sachsen.
Im April 2012 hatte der bayerisch Landtag bereits einhellig beschlossen, ein Verbot des FNS anzugehen. Lange sei trotzdem nichts passiert, so der grüne Landtagsabgeordnete Sepp Dür. Jetzt wolle die CSU wohl kurz vor der Landtagswahl im September „alle Baustellen aufräumen“. Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der Linken in Sachsen, mahnte, eine Verbotsermittlung des „Freien Netzes“ sei auch im Osten dringend geboten: „Dort gilt das Netzt nur als virtuelles Internetportal, nicht als Struktur.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an